Die Telekomlobby kann einen Etappensieg feiern. Noch vor Weihnachten will die EU-Kommission das Gesetzgebungsverfahren starten, nach welchem Tech-Konzerne wie Netflix, Amazon und Google für den Netzausbau bezahlen sollen, wie das «Handelsblatt» berichtet.
Die endgültige Version des Digitalisierungsplans, die der EU-Ministerrat am Donnerstag final angenommen hat, enthält nach einer längeren Diskussion nun doch die lange umkämpfte Klausel: «Alle Marktakteure, die vom digitalen Wandel profitieren, sollten ihre soziale Verantwortung übernehmen und einen fairen und verhältnismässigen Beitrag zu den öffentlichen Gütern, Dienstleistungen und Infrastrukturen leisten.» Dies sei zum Nutzen aller Bürgerinnen und Bürger in der Europäischen Union.
Wie das European Telecommunications Network Etno bereits im Mai in einer Studie berechnet hat, könne ein monetärer Beitrag der Streamer «für ein massives Wirtschaftswachstum der EU sorgen». Gerechtfertigt sei das Vorhaben, die Big Tech zur Kasse zu bitten, weil diese «für mehr als die Hälfte des gesamten Datenverkehrs verantwortlich sind. Aber keinen Beitrag zur Instandhaltung der Netze leisten», wie die Etno moniert.
Die grössten Digitalkonzerne würden mit ihrem Datenverkehr jährlich Kosten von bis zu 40 Milliarden Euro generieren, berechnete die Deutsche Telekom als Etno-Mitglied. Es sei deshalb eine Frage der Fairness, dass diese einen Beitrag zum dringend notwendigen Netzausbau leisten.
Die Streamer argumentieren allerdings dagegen, dass für den Datenverkehr nicht Netflix und Co. verantwortlich seien, sondern die Kundinnen und Kunden der Telekomunternehmen, die immer bessere Leistungen verlangten. Diese Leistungen wünschen sie sich allerdings vor allem wegen den Filmen, die sie downloaden wollen. Die Katze beisst sich also mit solchen Argumenten in den eigenen Schwanz, meint der Klein Report.
Andere Einwände gegen die «Maut» kommen von Datenschützern. Diese fürchten um die Netzneutralität, wenn plötzlich zusätzliche Zahlungen fällig würden. Die Telecom-Anbieter könnten nämlich verschiedene Netzqualitäten zu verschiedenen Preisen anbieten.
Ebenso ist voraussehbar, dass die Streamer ihre Mehrkosten am Ende auf die Konsumentinnen und Konsumenten abwälzen.
Unter diesen Aspekten bleibt abzuwarten, was im Weihnachtsgeschenk mit dem grünen Licht für Verhandlungen bereits 2023 genau drinstecken wird.
Da die EU-Kommission aber versprochen hat, bis 2030 einen «Breitbandanschluss für alle zu ermöglichen», dürfte das Interesse gross sein, die Verhandlungen so anzupassen, dass die Big Tech bereit sind, ihren finanziellen Zustupf für dieses milliardenteure Projekt leisten zu wollen.