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Donnerstag
14.11.2013

Medien / Publizistik

© Limmattaler Zeitung

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Politologe Michael Hermann hat offenbar genug von der Kritik seiner Kollegin Regula Stämpfli. Im «Tages-Anzeiger» lässt er seiner aufgestauten Wut über die «streitbare Politologin», «überzeugte Linke» und «Feministinnen» freien Lauf. Evelyne Oechslin, Redaktorin und Gender Studies-Absolventin, kommentiert die Kolumne für den Klein Report.

2010 bezeichnete Stämpfli ihn als «Plankton», weil er einen Wahlsieg der SVP voraussagte, am vergangenen Montag machte sie sich in ihrer Kolumne «Fadegrad» im «Blick am Abend» über Hermanns Feststellung lustig, dass die Erwerbsbeteiligung der Frauen von Männern im oberen Kader tief sei. Regula Stämpfli ist offensichtlich kein Fan von Michael Hermann.

«Damit ist dann auch das Rätsel gelöst, warum immer am helllichten Tag so viele edle Geländewagen vor dem Globus stehen», schrieb sie am Montag über Hermanns Analyse. «Ob so viel wissenschaftlicher Resultate muss ich mich grad hinlegen.»

Bei Politologe Hermann brachten diese Aussagen anscheinend das Fass zum Überlaufen, worauf er in einer «Tages-Anzeiger»-Kolumne zu einer sofortigen Replik ausholte. Er leitete darin gar Schwarz auf Weiss ein «Stämpfli-Prinzip» her.

Das Stämpfli-Prinzip nach Definition Hermann bezeichnet einen Widerspruch. Wenn beispielsweise die «vieles überzeichnende» Regula Stämpfli sich in einer Talkshow über Sexismus aufrege, um kurz darauf den ehemaligen Bundespräsident Hans-Rudolf Merz nach dessen Äusseren zu beurteilen.

Dies sei ein weit verbreitetes Prinzip bei Feministinnen, überzeugten Linken, und auch in der Wissenschaft sei dieses Muster nicht unüblich - bei Anhängern der kritischen Theorien, die andauernd mehr Differenziertheit fordern, aber pauschal jegliche quantitative Forschung verurteilen würden.

«Die als ungerechtfertigt wahrgenommene Dominanz wurde von den Dominierten seit jeher zur Legitimierung einseitiger Attacken herangezogen», schreibt Hermann im «Tages-Anzeiger». Die Attacken der Dominierten auf die Dominierenden liessen jeglichen normalen menschlichen Umgang vermissen. Die Gegenseite werde nicht als Menschen, sondern als Vertreter eines Systems gesehen. Hermann bringt diese Denkweise gar mit Terrorismus in Verbindung.

Könnte hier gar ein Hermann-Prinzip abgeleitet werden? Nein, damit würde dem beleidigten Politologen gar zu viel zugestanden. Marginalisierten Gruppen vorzuhalten, sie würden sich über ihre Marginalisierung freuen, da sie sich dann laut beklagen und ihre Unterdrücker verteufeln können, ist ein alter und sehr müder Rechtfertigungsmechanismus, dessen sich Hermann hier lediglich bedient.

So etwas zu behaupten ist nicht harmlos, sondern schreibt gesellschaftliche Ungleichheiten fest, meint der Klein Report. Genau so, wie Frauen so lange ihre Rechte vorzuenthalten, bis sie lautstark protestieren, um sie dann gleich als hysterisch abzustempeln.

Hermann zeichnet in seiner Kolumne eine Karikatur einer überzeichneten, lauten, feministischen Linken und packt offenbar damit gleich mehrere seiner Feindbilder in die Person Stämpfli. Er wird damit zum «vieles überzeichnenden» Michael Hermann.

Michael Hermann ermüdet mit seinen Argumenten, mit denen Privilegierte aus Angst vor dem Verlust ihrer Privilegien sich seit jeher gegen «Feministinnen» und andere Gruppen, die sich gegen Unterdrückung einsetzen, wehren. Er ordnet Stämpfli in mehrere Schubladen ein, definiert gar ein Stämpfli-Prinzip und beklagt sich gleichzeitig darüber, selbst eingeordnet und als Teil eines Systems gesehen zu werden.