Bundesrat Moritz Leubenberger hat sich in seinem Blog die Frage gestellt, ob das Minarett-Plakat verboten werden soll? Und Leuenberger beginnt seinen Text mit den Worten: «Ich gebe zu, ich habe mich, als ich das Plakat das erste Mal sah, gar nicht so empört. Es zeichnet, so dachte ich mir, einfach die Initiative, es sollte doch nicht verboten werden. Genügt diese Überlegung des ersten Augenblickes?»
Die Rassismuskommission werfe dem Plakat-Sujet vor, «es pauschalisiere, beschwöre eine Gefahr und diffamiere die friedlichen Muslime in der Schweiz», schreibt Leuenberger, was dem öffentlichen Frieden schade, so die Rassismuskommission. Leuenberger: «Zu einem klaren Entscheid, ob das Plakat zu verbieten sei oder nicht, kann sie sich nicht durchringen und empfiehlt den Stadtregierungen, eine Güterabwägung zwischen Meinungsfreiheit und Schutz der Gesellschaft vor Hass vorzunehmen. Die Resultate dieser Güterabwägung fallen nun verschieden aus. Einige Gemeinden verbieten das Plakat, andere nicht. Die Schweizer Städte werden nun also ein völlig uneinheitliches Bild abgeben, obwohl sie im Grunde ja völlig einer Meinung sind: Sie sind gegen das Plakat, doch uneinig über das Verbot.»
Die Grafik sei nicht von der Initiative selber zu trennen. «Die Visualisierung der Initiative kann nicht anders behandelt werden als deren Anliegen selber. Oder umgekehrt: Die Initiative selber ist das Plakat», so der Bundesrat in seinem Blog. «Die Initiative setzt den islamischen Glauben kurzerhand gleich mit extremistischen und terroristischen Auslegern, die sich ohne theologische Berechtigung auf die islamische Religion berufen. Die Initiative verschweigt, dass die grosse Mehrheit der Muslime Extremismus und Terrorismus verurteilt. Die identische Diskussion, wie sie sich jetzt am Plakat entzündet, fand ja denn auch schon um die Initiative selber statt. Es war damals zu entscheiden, ob sie, da völkerrechtswidrig, überhaupt zugelassen werden soll oder nicht. Das Parlament entschied sich im Zweifel für das Initiativrecht und auch gegen eine Bevormundung der Stimmbürger.»
Es müsse über den Inhalt der Initiative diskutiert werden, deshalb dürften auch Inserate und Plakate erscheinen. Und der Medienminister fragt: «Gilt nicht, entweder beides verbieten oder beides zulassen?»
Es gebe aber einen Unterschied zwischen Text und Bild: Über einen Text könne eine rationale Diskussion geführt werden. Ein Bild dagegen könne nicht argumentativ sein. «Jedes Plakat ist letztlich eine Karikatur, eine Verzerrung. Auch ein Text kann zwar karikierend sein, zuspitzend, verkürzend. Die Minarett-Initiative ist das beste Beispiel dafür. Über einen Text kann aber eine rationale Diskussion geführt werden. (Ich betone: `kann` nicht `muss`, denn es gibt auch da die populistische Polemik.) Doch eine Diskussion kann vernünftig und zur Sache erfolgen. Diese Überzeugung und Hoffnung hat das Parlament seinerzeit dazu bewogen, die Initiative nicht zu verbieten. Die alte, schwierige Frage der Aufklärung: `Hat die Toleranz die Untoleranz zu tolerieren?`, beantwortete das Parlament mit Ja, denn es sagte sich: `Darüber können und sollen die Stimmbürger diskutieren.`»
Der Souverän könne die Initiative ablehnen und es sei einfach zu erklären, «dass sie eine verkürzende Idee einer Minderheit war». Bei Plakaten auf öffentlichem Grund sei das schon viel schwieriger. «Jedermann muss sie ansehen. Sie hängen da als eine Behauptung, als eine Anklage, auch als eine Beleidigung. Die Distanzierung ist im Gegensatz zur Initiative kaum möglich. Das ist der Unterschied zwischen Wort und Bild, insbesondere auch, weil solche Bilder die Schweiz prägen werden. Jeder Artikel über die Abstimmung über die Initiative im Ausland wird mit diesem umstrittenen Bild eingeleitet, und den meisten Lesern bleibt einzig und allein das Bild in Erinnerung, weil sich Bilder im Allgemeinen stärker einprägen und weil viele den Artikel ja gar nicht lesen. Dieses Bild bleibt dann als Bild `der Schweiz` haften und dagegen kann keine vernünftige Diskussion etwas ausrichten.»
Und deshalb, so schliesst Moritz Leunberger, «habe ich jetzt, nach dem zweiten Augenblick, alles Verständnis für ein Verbot des Plakates».
Donnerstag
08.10.2009



