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Freitag
18.05.2018

Marketing / PR

Publizitätspflichten? «...keinen Bedarf»

Publizitätspflichten? «...keinen Bedarf»

Publicis-CEO Thomas Wildberger stellt seine Agentur auf den Kopf – und keiner merkts: Ausgerechnet Kommunikationsfirmen informieren nur bruchstückhaft und selektiv, wenn es um ihre eigenen Geschäfte geht. Eine Entwicklung, die an einem neuen Tiefpunkt angekommen ist, wie der Klein Report findet.

Wenn Werbe- und PR-Agenturen einen neuen Auftrag an Land ziehen oder eine Kampagne realisiert haben, sind ihnen oft nur die absoluten Superlative gut genug, um ihren Erfolg zu beschreiben. Hinzu kommen Kunden, die kontrolliert und gesteuert kommunizieren möchten. Unternehmen gelangen deshalb am liebsten direkt an ihr Publikum – über eigene Kanäle oder über Partner-Unternehmen, die ihre Meldungen möglichst unkritisch übernehmen.

Ein Beispiel für diese selektive Art der Kommunikation ist Emmi: Mit Informationen zu neuen Kampagnen werden nur einzelne Medien bedient. So blieb etwa die Nachricht, dass das Schweizer Milch-Unternehmen im März eine weitere Kampagne für die «Emmi Energy Milk High Protein» lancierte, «die sich an junge, sportaffine Männer richtet, die einen aktiven Lebensstil pflegen», dem Klein Report verwehrt.

Entsprechende Abmachungen mit dem Branchenverband Leading Swiss Agencies (LSA) sind Usus in der Werbebranche. Für börsenkotierte Unternehmen ein klares No-Go.

Doch die selektive Kommunikation von Emmi kennt ihre Grenzen: Wenn die Jahreszahlen der Gruppe vorliegen oder das Unternehmen wie zuletzt über den Abgang von CFO Jörg Riboni informiert, werden alle Medien gleich behandelt. Zudem sind solche Meldungen auch auf der Webseite von Emmi auffindbar. Und zwar mit gutem Grund.

Denn als börsenkotiertes Unternehmen muss Emmi gemäss dem Kotierungsreglement der SIX gewissen Publizitätspflichten nachkommen. Dazu gehört eine Informationspflicht über Tatsachen, die sich potenziell auf den Kurs der Emmi-Aktie auswirken könnten. Hierzu heisst es im erwähnten Reglement: «Die Bekanntmachung ist so vorzunehmen, dass die Gleichbehandlung der Marktteilnehmer gewährleistet ist.»

Die Art der verlangten Kommunikation wird in der «Richtlinie betreffend Ad hoc-Publizität» noch weiter präzisiert. Dort heisst es noch deutlicher: «Eine selektive Information von Marktteilnehmern verstösst gegen das Gleichbehandlungsgebot.» Daraus ergibt sich, dass Mitteilungen über potenziell kursrelevante Tatsachen «jedem Interessierten auf Anfrage» zugestellt werden müssen – das setzt der selektiven Kommunikation ganz klare Grenzen.

Publicis Communications wiederum gehört zur internationalen französischen Publicis Group. Und diese wird – wie auch Emmi – an der Börse gehandelt. Umso fragwürdiger ist für den Klein Report, dass Publicis Communications selbst dann nicht die Öffentlichkeit informiert, wenn CEO Wildberger die Spitze von Leo Burnett auswechselt und die Agentur Alpha 245 vom Markt verschwindet. Auch auf der Webseite von Publicis Communications wurde bis dato nicht über diese Vorgänge informiert – der ein oder andere Kunde dürfte sich darüber wundern.

Bereits als Matthias Städeli im September 2017 als neuer Managing Director bei Publicis vorgestellt wurde, wurde ein Fragenkatalog des Klein Reports mit dem lapidaren Statement «Wir haben keinen Bedarf an einer Stellungnahme» abgehandelt. Immerhin wurde der Neuzugang damals noch auf der Webseite publiziert. Nun ist ein neuer Tiefpunkt erreicht, findet der Klein Report. Es wäre Zeit für ein Umdenken.