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Donnerstag
18.05.2023

Medien / Publizistik

Im September 2020 zitierte die «Süddeutsche» aus den Tagebüchern von Banker Christian Olearius – zu Recht, wie der Bundesgerichtshof nun festhält. (Bild Screenshot süddeutsche.de)

Im September 2020 zitierte die «Süddeutsche» aus den Tagebüchern von Banker Christian Olearius – zu Recht, wie der Bundesgerichtshof nun festhält. (Bild Screenshot süddeutsche.de)

Im Zweifel gegen die Presse: In diesem Ruf steht die Hamburger Justiz seit einigen Jahren. In einem Rekursverfahren hat die «Süddeutsche Zeitung» nun einen Sieg auf voller Linie gegen die Hamburger Gerichte erzielt.

So hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass die Veröffentlichung von Tagebucheinträgen des Hamburger Warburg-Bankers Christian Olearius durch die «Süddeutsche» nicht gesetzeswidrig war.

«Private Tagebuchaufzeichnungen, die von den Strafverfolgungsbehörden beschlagnahmt worden sind, stellen keine ‚amtlichen Dokumente‘ des Strafverfahrens im Sinne von Paragraf 353d Nr. 3 des Strafgesetzbuches dar», hiesst es in dem am Dienstag publizierten Urteil des Bundesgerichtshofs.

Geklagt hatte Christian Olearius, nachdem die «Süddeutsche» am 4. September 2020 aus seinem Tagebuch wortwörtlich mehrere Passagen zitiert hatte. 

Sowohl das Landgericht wie auch das Oberlandesgericht von Hamburg stuften das persönliche Journal kurzerhand als amtliches Dokument ein – womit sie es rückwirkend als Geheimsache versiegelte und so die Zitate in der «Süddeutschen» für illegal erklärten, weil diese im Rahmen des Gerichtsverfahrens noch nicht veröffentlicht worden waren.

Der Bundesgerichtshof kehrte diese eigenwillige Einstufung des Bakiers-Tagebuches diametral um: Den wörtlichen Zitaten in der Zeitung komme ein «besonderer Dokumentationswert» zu: «Mit der wortlautgetreuen Wiedergabe der Tagebuchaufzeichnungen hat die Beklagte einen Beitrag zum geistigen Meinungskampf in einer die Öffentlichkeit in höchstem Masse berührenden Frage geleistet», schreibt das Gericht in Karlsruhe weiter.

Die Meinungs- und Medienfreiheit überwiege das Interesse des Klägers am Schutz seiner Persönlichkeit. Die Rechte des Bankers seien durch wörtliche Wiedergabe seiner Tagebuchaufzeichnungen «nur in verhältnismässig geringem Mass» beeinträchtigt worden. 

Die Aufhebung des Hamburger Urteils gegen die «Süddeutsche Zeitung» ist medienpolitisch wichtig. In ihrem Artikel «Notizen aus feiner Gesellschaft» publizierte die Zeitung im September 2020 einen Artikel, der sich mit einer möglichen Einflussnahme von hochrangigen Hamburger Politikern auf Entscheidungen der Finanzbehörden im Zusammenhang mit Steuerrückforderungen nach Cum-Ex-Geschäften beschäftigt. 

Der in dem Artikel behandelte Verdacht ist Gegenstand eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses in Hamburg.