Das Internet und das Kino: Das ist noch nicht die ganze grosse Liebe. Obwohl die Digitalisierung das Kinogewerbe auf vielen technischen Ebenen durchdringt.
«Wie beeinflusst das Internet die Entwicklung traditioneller Medien, die Kulturkritik und die Öffentlichkeit? » Zu diesem Thema diskutierten Alison Willmore, Filmkritikerin bei Buzzfeed, Frédéric Jaeger, Chefredaktor von critic.de und Geschäftsführer des Verbandes der deutschen Filmkritik (VdFK), und Kevin B. Lee, Gründungsmitglied der Redaktion Fandor und heute «Videoessayist».
Um es vorwegzunehmen, alle drei Internet-Nerds sind profunde Kenner der Filmszene und lieben das Kino in seiner ganzen Pracht. «Ich liebe es, mit anderen Menschen in einem abgedunkelten Kinosaal zu sitzen und einen Film zu schauen», sagte beispielsweise Alison Willmore, die eloquent ihre Arbeitsweise bei einem der grössten US-Online-Unterhaltunsportale beschrieb. «Bei Buzzfeed ist etwa die Hälfte Journalismus, der Rest sind Listings... Austausch mit den Nutzern.» Sie sei bei Buzzfeed die einzige Filmkritikerin und «wahrscheinlich auch die letzte», fügte die Journalistin selbstbewusst kichernd an. Die Lacher im abgedunkelten Theatersaal des Paravento in Locarno waren ihr sicher.
Denn wie lassen sich «Cultures of Criticism in the Digital Age», so der Titel des Round-Tables vom Mittwoch, mit der Geschwindigkeit des Internets verbinden? «Manchmal ist es schon etwas nervig, wenn parallell vieles auch auf Twitter läuft», so Alison Willmore, die das Netz gerne etwas entschleunigt sähe, so wie Kevin B. Lee, der erklärte, dass sich das Tempo nochmals so erhöht habe, dass er heute alle seine Informationen, Gedanken und Anregungen in ein Video von 30 bis 90 Sekunden packen müsse. «Ähnlich wie bei Texten im Internet, die auch immer kürzer und kompakter geworden seien.
Hier sieht aber Frédéric Jaeger von critic.de einen Gegentrend. «Wir bringen auch wieder längere Texte», so der Journalist, der seit 2004 die Leitung des Verbandes der deutschen Filmkritik inne hat. «Damals waren sie sich nicht sicher, ob ein Journalist, der nur aus dem Online-Bereich kommt, so was machen könne», schmunzelte er. Jaeger reflektierte interessant über seine Arbeitsweise und die kulturellen Unterschiede zwischen Deutschland und den USA. «Ein Video, wie es uns Kevin B. Lee hier gezeigt hat, könnten wir aus Copyright-Gründen in Deutschland so nicht zeigen».
Natürlich gebe es Kolleginnen und Kollegen, die diese rechtlichen Grauzonen ritzten, es käme dann manchmal zu Rechtsklagen. Kevin B. Lee, der ein Video mit einigen Sequenzen aus Ghostbusters vorführte, hat bei Fandor insgesamt 300 Videos produziert.
Moderiert wurde das in Englisch geführte Gespräch, das vom Filmfestival von Locarno und dem Bundesamt für Kultur veranstaltet wurde, von Kritiker Eric Kohn von Indiewire.