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Sonntag
01.06.2003

Der Wechsel an der Spitze der Mailänder Tageszeitung «Corriere della Sera» wirft in Italien weiter hohe Wellen. Die Journalisten riefen zu einem Streik auf, die Redaktion wurde mit Solidaritätsbriefen entrüsteter Leser überschwemmt. «Wir wollen De Bortoli zurückhaben, der eine Garantie für Pressefreiheit ist», liest man in einigen E-Mails, die in der Redaktion eintrafen. «Wir werden keinen Corriere unter Berlusconi-Kontrolle mehr lesen», schrieben andere Leser.

Der bisherige Chefredaktor Ferruccio De Bortoli hatte seinen Rücktritt laut Gerüchten wegen des zunehmenden Drucks der Regierung von Silvio Berlusconi eingereicht. Dem Staatschef gefiel die oft regierungskritische Linie des Chefredaktors nicht. Ministerpräsident Berlusconi bestritt am Wochenende, dass er Drahtzieher des Wechsels sei. «Ich kann garantieren, dass ich keineswegs den Wechsel an der Spitze der Zeitung beeinflusst habe», sagte Berlusconi.

Das Thema Medienfreiheit beherrscht die Debatte in einem Land, in dem der Regierungschef mit Mediaset die stärkste private TV-Gruppe sowie mehrere Tageszeitungen und Zeitschriften besitzt. Die Präsidentin des Staatsfernsehens RAI, Lucia Annunziata, warnte vor einer «Verarmung» der öffentlich-rechtlichen TV-Anstalt. Die RAI habe bereits mehrere Starmoderatoren verloren. Die Gefahr bestehe, dass das Staatsfernsehen im Konkurrenzkampf gegen den Rivalen Mediaset unter Kontrolle Berlusconis weitere Verluste hinnehmen müsse. Mediaset wird immer konkurrenzfähiger, geben die RAI-Manager zähneknirschend zu. Im Kampf um die Einschaltquoten feiert Mediaset seit Monaten Erfolge. Die Gruppe ist mit den Sendern Canale 5, Italia 1 und Retequattro ist die Nummer 1 im italienischen TV-Geschäft und hält einen Marktanteil von über 40%. Mehr dazu: Streik beim «Corriere della Sera» und Rücktritt des Chefredaktors von «Corriere della Sera»