Erfolg und Misserfolg bei der «Republik» tragen den gleichen Namen: Constantin Seibt. Kein Journalist der Schweiz wirkt dermassen elektrisierend auf die Massen. Wer den Journalismus für tot hält, sollte einem öffentlichen Vortrag von Seibt beiwohnen. Vorne, in der ersten Reihe, tummeln sich jeweils seine Anhängerinnen und Fans.
Ohne Seibt gäbe es keine «Republik». Der charismatische Philosoph war für viele einer der Gründe, ein Abo beim Onlinemagazin zu lösen. Seibt schreibt so gut, dass er die Schöpfungsgeschichte besser hingekriegt hätte als der liebe Gott.
Was Seibt weniger gut kann, ist recherchieren und der ganze administrative Bereich. Bürokram. Als Chefredaktor taugte der Bukowski für Arme (© Klein Report) wenig, als Verwaltungsrat noch weniger. Dass die «Republik» Querelen mit den kantonalen Steuerbehörden hat, liegt in seiner Zeit als Verwaltungsratsmitglied begründet. Dass man auf Spenden Schenkungssteuer entrichten muss, fiel dem homme de lettres nicht ein.
Man warte nun auf den Entscheid der Steuerbehörden, richtete die Co-Geschäftsführerin Katharina Hemmer gegenüber dem Klein Report zu diesem Themenkreis aus.
Im April verkündete die «Republik» plötzlich eine Hiobsbotschaft: Acht Mitarbeitern werde gekündigt und der gesamte Verwaltungsrat trete zurück. Welche Journalisten über die Klippe springen mussten, wurde nie mitgeteilt. «Aus Persönlichkeitsschutz nennen wir keine Namen», so Hemmer zum Klein Report.
Die Geheimniskrämerei steht im Widerspruch zur laufenden Berichterstattung der «Republik» zum Bestand der Journalisten in der Schweiz. Hier tragen die «Republik»-Journalisten fleissig alle Mutationen der Verlage ein, nur nicht die von den eigenen Kollegen und Kolleginnen.
Constantin Seibt, nicht mehr VR, nicht mehr Chefredaktor, sondern Reporter. Also back to the roots. Seine Fans warten indes vergebens auf seine Hammertexte. Seit Januar 2023 hat er einen einzigen Artikel in Eigenregie verfasst. Schreiben, das kann er immer noch, und wie. Sein Meinungsartikel «Ruhm der Ukraine, Schande der Schweiz» löste 339 Leserkommentare aus. So etwas gelingt nur Seibt.
Der Artikel enthält knapp 12’000 Zeichen. Nun, Seibt verdient 8’000 Franken Einheitslohn pro Monat. Seit Januar hat er mit Juni also 48’000 Franken von den Abonnenten erhalten. Oder anders ausgedrückt: Pro publizierten Buchstaben oder Leerzeichen: 4 Franken.
Oder, noch etwas boshafter: Für diesen Satz, den Sie gerade lesen, würde er 280 Franken verdienen.
Kann sich die wirtschaftlich gebeutelte «Republik» solch einen Starautor noch leisten? Ja, lautet die Antwortet. Er sei weiterhin bei «Republik» angestellt, sagte Hemmer zum Klein Report.
Auch sonst geht man mit der Edelfeder behutsam um. Auf die Frage, ob der Verwaltungsrat für die verschlampte Schenkungssteuer in Regress genommen wird, lautet die Antwort: nein. Aufatmen für das ehemalige VR-Mitglied Seibt. Jeder andere hätte eine Verantwortlichkeitsklage am Hals.
«Deadline», so heisst ein bekanntes Buch von ihm. Der Begriff bringt viele Journalisten zum Verzweifeln: Bis dann und dann muss der Text fertig geschrieben sein, bis dann müssen die Antworten vom Interviewpartner kommen. Sonst wirds eng.
Eine Deadline kann aber auch segensreich sein. Wer keine Vorgaben hat, kommt nicht zum Punkt. Wer nicht spurtet, kommt nie ans Ziel. Das sieht man nun eindrücklich bei Constantin Seibt.