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Freitag
05.12.2014

TV / Radio

Claude-Longchamp-unter-Beschuss-Klein-Report

Am letzten Wahlsonntag war so mancher politisch interessierte Mensch überrascht: Die Ecopop-Initiative wurde mit nur 25,9 Prozent Ja-Stimmen sehr deutlich abgelehnt.

Damit haben nicht viele gerechnet. Vor allem jene nicht, die sich an den Trendstudien des Forschungsinstitutes Gfs Bern von Claude Longchamp orientiert haben. Dessen Ergebnis stand zuletzt bei 39 Prozent Zustimmung.

«Wir zeigen Momentaufnahmen auf und machen keine Prognosen», versuchte sich Longchamp auch gegenüber dem Klein Report aus der Affäre zu ziehen. Den Fehler sieht er nicht bei seinem Institut, sondern bei den Medien: «Medienschaffende machen rasch ihre eigenen Prognosen und werfen uns dann vor, dass die selbst formulierten Prognosen falsch waren.»

Dabei haben die Gfs-Umfragen als blosse Momentaufnahmen nur wenig Sinn, findet der Klein Report, interessant macht die Studien erst, dass man mit ihnen versucht, auf Abstimmungsresultate zu schliessen. Und durch dieses Interesse kann Longchamp wiederum Werbung für sein Institut machen. Die Medien für ihre Prognosen zu kritisieren ist deshalb ein komplettes Eigentor.

Die kritisierte Ecopop-Studien wurde am 19. November über das Schweizer Fernsehen publik gemacht - 11 Tage vor der Abstimmung. «Die letzten Tage waren aber heftig», so Longchamp. «Über 90 Prozent der redaktionellen Beiträge und ein ebenso hoher Anteil der gekauften Werbung waren zu Gunsten der Gegnerschaft. Selbst in den sozialen Medien dominierte am Schluss das Nein», versucht Longchamp die überraschend wuchtige Ablehnung zu erklären.

Eine solide Erklärung tut auch bitter Not für den De-facto-Monopolisten Longchamp, der seit Jahren über die SRG seine Studien publizieren darf. Der Mann mit der Fliege ist zudem seit Jahr und Tag ständiger Gast in Abstimmungsstudios des Schweizer Fernsehens und konnte sich so zu einer Marke aufbauen. 

Auf Druck der Medien wird der Auftrag um die Nachbefragung der Stimmberechtigten nach 20 Jahren wieder öffentlich ausgeschrieben. Bisher war dieser durch die Bundeskanzlei in eigener Regie verlängert worden. Der Vertrag zwischen Bund und Gfs läuft Ende 2015 aus.

Die Konkurrenz hat sich bereits in Stellung gebracht: Der Politologe Michael Hermann bezeichnete Longchamp in der «Neuen Zürcher Zeitung» als «Diva» und beklagte sich darüber, dass sich niemand traue, gegen das Monopol des Gfs anzutreten. Dieser Aussage widerspricht Longchamp gegenüber dem Klein Report: «Beim SRG-Mandat haben wir bei jeder Ausschreibung Konkurrenten gehabt. Bei privatwirtschaftlichen Mandaten haben wir stets Konkurrenz, aber nicht von Politologen, denn die konzentrieren sich weitgehend auf staatliche und mediale Nachfragen. Das ändert sich heute, erfordert Fachwissen und Unternehmertum, was uns freut, wenn es sich vermehrt», so der Politologe ausschweifend.

Pikanterweise äusserte sich auch Longchamps ehemaliger Mitarbeiter Thomas Milic in der «Neuen Zürcher Zeitung» über seinen früheren Arbeitgeber. Heute arbeitet der Politologe für Hermann. Milic forderte eine Trennung von Datenerhebung und Datenanalyse. Davon will Longchamp nichts wissen: «Methode, Methodenentwicklung, Analyse und Vermittlung hängen eng zusammen. Man lernt in der Praxis mehr als in der Theorie. Das gilt in der Abstimmungsforschung vor allem vor Abstimmungen, weil man unter starkem Zeitdruck arbeiten muss. Arbeitsteilung geht danach schon, braucht aber mehr Zeit, bis Ergebnisse vorliegen.»

Eine Prognose zu den Chancen des Gfs bei einer Neuausschreibung wagt Longchamp nicht. Und wie sein Institut bei der Ausschreibung überzeugen werde, wolle er direkt dem Ausschreibenden zeigen.