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Montag
28.12.2020

TV / Radio

Darf endlich einmal die Wahrheit sagen: die virtuelle Queen bei ihrer alternativen Rede auf Chanel 4...

Darf endlich einmal die Wahrheit sagen: die virtuelle Queen bei ihrer alternativen Rede auf Chanel 4...

In diesem Jahr ist Weihnachten ganz anders. Besonders in England. Dort geben nicht nur die wartenden Lastwagen an der Grenze zu reden.

Auch eine neue Mutation des Virus hält die internationalen Medien auf Trab. Dazu die weihnächtlichen EU-Kapriolen von Premierminister Boris Johnson.

Zur hitzigsten Diskussion in den Pubs, wenn diese nicht geschlossen wären, hätte aber garantiert die traditionelle Weihnachtsansprache der Queen führen müssen. Diese war für einmal total anders. Allerdings nicht bei der BBC, sondern auf Channel 4.

Beim vierten Kanal der öffentlichen Sender in England ist es eine lustige Tradition: Zusätzlich zur Weihnachtsansprache der Queen am 25. Dezember auf dem ersten Kanal sowie auf dem Privatsender ITV wird auf Channel 4 eine alternative Ansprache ausgestrahlt. Bisher zum Beispiel von Edward Snowden oder dem früheren iranischen Präsidenten Mahmoud Ahmadinejad.

Dieses Jahr war Königin Elisabeth II. selbst zu sehen. Jedenfalls auf den ersten Blick. Auf den zweiten war es eine täuschend echte Fälschung, ein sogenanntes Deepfake.

In der BBC habe sie niemals Klartext und von Herzen sprechen können, beginnt die falsche Queen ihre alternative Weihnachtsansprache. In einem Ausschnitt der Sendung auf Twitter sagt die Fake-Queen unter anderem: «Ich bin dankbar, dass Channel 4 mir die Gelegenheit gibt, zu sagen, was ich schon immer mal sagen wollte – ohne dass irgendjemand mir die Worte in den Mund legt.»

Mit dem Auszug von Meghan und Harry, der Vergangenheit von Andrew sowie dem Brexit gibt es ja genügend heiklen Stoff, den die Queen hier antönen könnte.

Natürlich war die Deepfake-Rede bald einmal als Satire zu erkennen. Um einen solchen Charakter zu betonen, hat Chanel 4 auf eine Synchronisation durch die Schauspielerin Debra Stephenson gesetzt. Diese leiht auch der Queen-Puppe in der Sketch-Show «Spitting Image» bereits ihre Stimme.

Lustig haben diese neue Version des britischen Humors trotzdem nicht alle gefunden. Der Royal Correspondent Nicholas Witchell bei der BBC meint: «There have been countless imitations of the Queen. This isn't a particularly good one.»

Die royale Autorin Penny Junor erboste sich laut «Telegraph» über die Parodie der Monarchin. Nur noch wenige Dinge seien in heutigen Zeiten heilig – aber das gehe zu weit.

Channel 4 meldet allerdings höhere Interessen an. Auf seiner Webseite schreibt der Sender, es handle sich um «eine komödiantische Parodie, die als gewichtige Warnung vor Desinformation und Fake News im digitalen Zeitalter dienen soll».

Tatsächlich bieten die technischen Möglichkeiten eine wachsende Gefahr, wie auch Nina Schick, eine Autorin des Fachbuches «Deep Fakes and the Infocalypse», gegenüber der BBC zu Wort kommen durfte. Sie spricht von «sophisticated forms of visual disinformation».

Da war ein gefaktes Video in der Vergangenheit noch harmlos, wo US-Präsident Richard Nixon eine Rede über den Tod der Apollo-11-Astronauten vorliest. Diese Trauerrede hat er tatsächlich geschrieben, nach der erfolgreichen Mondlandung aber nie öffentlich halten müssen.

Im Bereich der Satire kursiert aktueller ein Video, bei welchem das Gesicht von Angela Merkel mit dem von Donald Trump ausgetauscht worden ist.

Nicht mehr lustig, sondern verbrecherisch wird es, wenn die Technik die Fantasie von schmuddeligen Pornoproduzenten unterstützt. Auf einschlägigen Seiten im Netz ist zum Beispiel die Wonder-Woman-Darstellerin Gal Gadot beim Sex mit ihrem Stiefbruder zu sehen. Virtuell missbraucht wurden auch schon Emma Watson, Katy Perry, Taylor Swift oder Scarlett Johansson.

Die Open-Source-Software DeepFaceLab ist das meist verwendete Programm zur Erstellung von Deepfakes. Ein Tool ermöglicht es, aus Videodateien mittels künstlicher Intelligenz Gesichter zu extrahieren und wichtige Punkte wie Augen, Nase und Mund zu bestimmen. Danach kann ein Deepfake erstellt werden, indem die Bilder der Ziel- und Quellpersonen in einzelne Teile zerlegt werden. Das künstliche neuronale Netz probiert dann, das Bild wieder zusammenzubauen. Eine ausführliche Anleitung zur Verwendung dieser Software sei frei erhältlich, heisst es auf Wikipedia.

In politischen Kreisen gibt es Bestrebungen, unerlaubte Deepfakes in Zukunft unter Strafe zu stellen.