Die Bundesanwaltschaft eröffnet kein Strafverfahren gegen die NSA und andere Geheimdienste, wie die Digitale Gesellschaft am Freitag mitteilte. Die netzpolitische Organisation hatte im Sommer 2013 anlässlich der Enthüllungen von Edward Snowden Strafanzeige gegen Unbekannt wegen verbotenen Nachrichtendienstes eingereicht. Der Klein Report sprach mit Martin Steiger, der das Dossier bei der Digitalen Gesellschaft betreut.
Auf die Frage, weshalb laut dem Bundesanwalt die Bedingungen zur Eröffnung eines Strafverfahrens nicht erfüllt seien, sagte Steiger: «Wir kennen die Begründung bislang nicht, da wir als Anzeigeerstatterin keinen Rechtsanspruch darauf haben, die Begründung zu erfahren.»
Die Digitale Gesellschaft hoffe aber, so Steiger weiter, «dass es Journalisten gelingt, wie schon in anderen Fällen mit Verweis auf die Justizöffentlichkeit die Nichtanhandnahmeverfügung zu erhalten und dann darüber zu berichten.»
Die Organisation ist überzeugt, dass die Bedingungen zur Eröffnung eines Strafverfahren eigentlich erfüllt wären. «Seit unserer Strafanzeige ist über ein Jahr vergangen mit zahlreichen weiteren Enthüllungen, insbesondere aufgrund von Whisteblower Edward Snowden. Aus diesen Enthüllungen schliessen wir, dass die amerikanischen und weitere Überwacher auch in der Schweiz und gegen Schweizer tätig sind», sagte Martin Steiger gegenüber dem Klein Report.
Konkret nannte Steiger «zahlreiche Telekomanbieter, die mit der amerikanischen NSA und dem britischen GCHQ zusammenarbeiten». Einige davon seien auch in der Schweiz tätig: «Swisscom beispielsweise pflegt eine strategische Partnerschaft mit Verizon und von BT sowie Vodafone ist bekannt, dass sie mit dem britischen GCHQ zusammenarbeiten.»
Hinzu kämen jene Firmen, die mit diesen Telekomanbietern zusammarbeiten würden. «Mindestens die Hälfte der 100 grössten Schweizer Unternehmen verlässt sich auf Dienste von solchen Telekomanbietern, darunter die grossen Banken, aber auch Unternehmen wie Clariant, Glencore, Nestlé, Novartis oder Swatch. Auch bekannt ist inzwischen, dass die NSA in Genf einen so genannten `Spy Hub` betreibt.»
Die Digitale Gesellschaft überlege sich, nochmals Strafanzeige einzureichen und aufgrund der zahlreichen weiteren Enthüllungen dabei Parteistellung als Geschädigte zu nehmen, verriet Steiger dem Klein Report. «Damit gäbe es insbesondere Rechtsmittel gegen eine etwaige erneute Nichtanhandnahme einer Strafanzeige.»
Vor einigen Tagen berichtete der «Tages-Anzeiger», dass die Bundesanwaltschaft auf Informationen aus amerikanischer Überwachung in der Schweiz zurückgreife. Die Digitale Gesellschaft sieht hier einen «rechtsstaatlichen Interessenkonflikt»: «So scheint die Bundesanwaltschaft abhängig von Tipps von ausländischen Geheimdiensten (wie insbesondere der NSA), beurteilt gleichzeitig die Sicherheit von Edward Snowden in der Schweiz und sollte zudem gegen die NSA-Überwachung ermitteln.»
Die Digitale Gesellschaft fordert: «Eigentlich müsste hier ein ausserordentlicher Bundesanwalt eingesetzt werden - wegen Befangenheit der Bundesanwaltschaft.» Dazu müsste eine Strafanzeige, die sich gegen Mitarbeiter der Bundesanwaltschaft richtet, eingereicht werden, sagte Martin Steiger gegenüber dem Klein Report weiter.