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Sonntag
05.07.2009

Zuerst die gute Nachricht (aus Sicht von Sacha Baron Cohen alias «Brüno»): Dem britisch-jüdischen Prolo-Provokateur und Radikalhumoristen Cohen ist es gelungen, die Schweizer Presse um den Finger zu wickeln. Und die schlechte Nachricht: Der rüde Schwuchtelstreifen «Brüno» ist es nicht wert. Wenn der Film um Tuntentum und Schwulenhass, Modeschnickschnack und Celebrity-Unkultur, Profilneurosen, schwüle Possen, Posen und Penisse am 10. Juli (Vorpremieren am 9. Juli), mit 59 Kopien allein in der Deutschschweiz, startet, hat er den Blätterwald längst zum Rauschen gebracht. Feuilletons und People-Seiten haben sich dem Kalauer- und Klamottenkaspar Cohen im Vorfeld seitenweise angenommen.

Keiner, der sich zur Kaste der Filmkritiker zählt - Klein-Report-Mitarbeiter Rolf Breiner inklusive -, hatte die Gelegenheit verpasst, am letzten Dienstag an der Pressevisionierung teilzunehmen. Sie sei eine der bestbesuchten seit langem, stellte der «Sonntag» fest und empfiehlt vor dem Kinobesuch, ein paar Bierchen zu kippen, um den Cohenschen Humor zu geniessen - unter dem Titel: «Zum Brüllen: Brüno reitet schwüle Possen».

Obwohl der Verleih Ascot Elite die Filmkritiker mahnte, ein «Holdback» bis Montag, 6. Juli, einzuhalten, beschäftigte sich die Sonntagspresse intensiv mit «Borat»-Provokateur Cohen und seinem neusten Machwerk. Der «Sonntags-Blick» klärt darüber auf, dass der heterosexuelle Cohen bigotten Schwulenhass blossstellen will und kritisert zurecht: «Als grell-tuntige Nervensäge mag er eher Vorurteile zementieren, als Mauern in den Köpfen einreissen.»

Die «NZZ am Sonntag» holte weit aus und kommt von der Satire à la Kurt Tucholsky via Hape Kerkeling zu Sacha Baron Cohen - unter dem Titel «Brünos tanzende Genitalien». Für dieses Blatt ist «Brüno» ein Entlarvungstäter, der eher mit dem Zweihänder denn mit dem Florett agiert. Fazit: Wer`s grob, deftig, polemisch und proletenhaft peinlich mag, wird vom nervigen Mode-Homo Brüno mit einer rüden Sketch-Parade bedient. Komisch und satirisch ist er selten, oft zynisch, anbiedernd und krampfhaft-künstlich.

Bei der geschnittenen Szene, wobei es um ein Interview mit Michael Jacksons Schwester La Toya und Michaels Handynummer geht, soll es sich laut «Tages-Anzeiger» um eine der witzigsten Szenen handeln. Der Film setzt sich im Grunde aus Pseudo-Dokumentarbildern und Fallen mit versteckter Kamera, Spielszenen mit dem österreichischen Pseudo-Lover, aus Provokationen und Kameraüberfällen (Mailänder Fashionshow) zusammen.

Den queren Titel «Brüno» (im Film ist immer nur von Bruno die Rede) erklärt Roman Güttinger (Verkauf/Disposition Ascot Elite) schlicht damit, dies sei der Originaltitel. Aha! Deswegen macht er dennoch keinen Sinn - im deutschen Sprachraum, wo der Film überwiegend in der deutschen Synchronfassung gezeigt wird.