Content:

Dienstag
14.01.2003

Wo endet der Schutz der Privatsphäre? Diese Frage beschäftigte am Montagabend die Medienpodiumsrunde mit Stargast und Opfer Thomas Borer-Fielding. Auf Einladung der Radio- und Fernsehgenossenschaft Zürich wurde der «Medien-Gau» unter dem Titel «Fertigmacher-Journalismus» nochmals aufgerollt - allerdings unter Abwesenheit der Hauptakteure «SonntagBlick» und «Blick», die wegen des Borer-Deals zu Stillschweigen verpflichtet sind.

Die Diskussionsrunde war sich schnell einig: Die Privatsphäre ist auf jeden Fall schützenswert, auch von prominenten Personen, die sich selbst gerne in Szene setzen und die Medien für ihre Anliegen einspannen - wie es der ex-Diplomat mit Bravour vorgeführt hat. Einzige Ausnahme: Die Botschaft muss relevant sein oder von öffentlichem Interesse. So zum Beispiel sei es keine Verletzung der Privatsphäre, über die private Aufwendungen von Geschäftsmitteln von Wirtschaftsmagnaten zu berichten, erklärte «Facts-Chefredaktor» Hannes Britschgi. Oder es gehöre sehr wohl zum öffentlichen Interesse, meinte «Weltwoche»-Chefredaktor Roger Köppel, dass der Bürger erfahre, wie die Landesfürsten lebten. Jedoch dürften in keinem Falle die strafrechtlichen Normen missachtet werden.

Für Philip Cueni, den Präsidenten des Vereins «Qualität im Journalismus», war klar: Die beiden Boulevard-Zeitungen haben mit der Borer-Enthüllung nicht nur die Privatsphäre verletzt, sondern auch «handwerkliche Fehler bei der Recherche» gemacht. Das gute daran aber sei, dass dieser Fall in der Schweiz eine Debatte ausgelöst habe, die dem heimischen Journalismus gut getan habe. Fehler musste aber auch Borer eingestehen: Durch die Selbstinszenierung habe er die Grenzen der Privatsphäre selbst verschoben. Auch wurde Borer kritisiert, dass er nie versucht habe, sein Recht vor Schweizer Gerichten beziehungsweise durch den Presserat durchzusetzen, sondern stets sofort mit Millionenklagen in den USA droht.

Weiterhin unbeantwortet blieb die stets im Raum stehende Frage, ob die Geschichte nun wahr sei oder nicht und wie stichhaltig die Beweise als Grundlage für die Geschichte waren. Sowohl Britschgi als auch Köppel waren sich zwar einig, sie hätten die Geschichte selbst mit stichhaltigen Beweisen nie als erste veröffentlicht. Jedoch mussten sie eingestehen, sie in ihren Blättern weitergezogen und ausgeschlachtet zu haben.

Einig war sich die Runde unter der Gesprächsleitung von Alfred Fetscherin auch über das Verbot beziehungsweise die restriktive Handhabung eines Scheck-Buch-Journalismus. Hingegen fand Borers Forderung nach einer «Produktehaftung» für Journalisten kein Gehör: «Die Verlage sollten mit massiven Schadenersatzforderungen bestraft werden», sodass sie «dafür sorgen, dass keine Fehler passieren», forderte Borer. Britschgi erinnerte an die verfassungsmässige Verankerung der Pressefreiheit und vertrat die Ansicht, man könne die Werke von Medien und Journalismus doch nicht mit Verbrauchsgütern gleichsetzen.

Nach dem Podiumsgespräch liess es sich Borer - der nun nach eigenen Angaben mehr verdient als früher als Botschafter und vor allem sagen kann, was er will - nicht nehmen, ein Bad in der Menge bei Wein und Häppchen zu geniessen. Offizielle Interviews gab es allerdings zum Frust der anwesenden Radio-Reporter nicht. Das nächste Mal wird man Borer am Samstag in Luzern als Stargast am fasnächtlichen Bärteli-Essen der Zunft zu Safran bewundern können. Borer dazu in einem E-mail an die «NZZ am Sonntag»: «Ich bin kein Stargast, werde aber als Ritter des Ordens wider den tierischen Ernst - nunmehr befreit von den Fesseln Berns - eine Rede halten.»

In der Zwischenzeit warten die deutschen TV-Sender Sat.1 und RTL sowie die Verlage Burda und Milchstrasse noch immer gespannt darauf, ob Borer seine angedrohte Millionenklage gegen sie in den USA tatsächlich einreicht. Alles zur Borer-Affäre im Archiv, siehe auch den aktuellen Entscheid des Presserates: Rüge für Ringier: Presserat heisst Borers Beschwerde gut