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Mittwoch
13.04.2022

Medien / Publizistik

Corpus Delicti: Dass der «Blick»-Autor seine Quelle offenlegte, half ihm vor Gericht nicht weiter. Ringier unterlag vollumfänglich.

Corpus Delicti: Dass der «Blick»-Autor seine Quelle offenlegte, half ihm vor Gericht nicht weiter. Ringier unterlag vollumfänglich.

Der «Blick» hat das Urheberrecht einer freien Journalistin verletzt. Der Originaltext erschien in der «Hotelrevue» (htr) und teils satzidentisch auf blick.ch. Ringier-Anwalt Matthias Schwaibold unterlag nun vor dem Zürcher Handelsgericht.

Dass der «Blick»-Autor in seinem Abklatsch ein «wie die ‚Hotelrevue‘ schreibt» einflocht und damit seine Quelle offenlegte, half ihm schlussendlich nicht aus der Patsche. 

Die Richter haben für ihr Urteil die beiden Texte feinsäuberlich seziert und bis in die kleinsten Winkel von Satzbau und Wortschatz miteinander verglichen. 

Der Klein Report, dem die Urteilsbegründung vorliegt, greift ein paar Müsterchen heraus – immerhin geht es um jene Abschreibetchnik, die unter dem herrschenden Kostendruck und Tempozwang bei nicht wenigen Meiden gang und gäbe ist. 

Aus dem ursprünglichen Titel «500 Hotels suchen Käufer» machte der «Blick» ein «Bereits 500 Hotels stehen zum Verkauf in der Schweiz». Der htr-Untertitel «Die Corona-Krise mischt die Karten neu auf dem Hotelmarkt» verwandelte sich in den «Blick»-Lead «Die Corona-Krise beschleunigt den Strukturwandel in der Hotellerie».

Nebst den Spielarten solcher Paraphrasen hat sich der «Blick» teilweise auch tel quel bei der Fachzeitschrift bedient: «Seit Anfang Jahr verzeichnen die auf Hotelimmobilien spezialisierten Profis einen Anstieg von 10 Prozent bei den Verkaufsanfragen. Der langjährige Hotelmakler Jürg Zumkehr von Hotelforsale spricht gar von 25 Prozent mehr Verkaufsmandaten. Es ist davon auszugehen, dass die Hotelpreise massiv sinken werden, insbesondere bei Betrieben, die bereits geschlossen sind», war in der «Hotelrevue» zu lesen.

Die Copy-Paste-Doublette beim «Blick» eignet sich als Quiz – finde die Abweichungen: «Seit Anfang Jahr verzeichnen die auf Hotelimmobilien spezialisierten Profis einen Anstieg von 10 Prozent bei den Verkaufsanfragen. Hotelmakler Jürg Zumkehr von Hotelforsale spricht gar von 25 Prozent mehr Mandaten. Für ihn ist klar: Es ist davon auszugehen, dass die Hotelpreise massiv sinken werden. Dies vor allem bei Häusern, die schon geschlossen sind, sagt er dem Branchenblatt.»

Bis wohin aber reicht die löbliche Inspiration und wo beginnt das schnöde Abkupfern? 

Geprüft hat das Handelsgericht, ob die «Blick»-Version lediglich eine «Bearbeitung» des Originalartikels darstellt oder aber eine «Neugestaltung». Im zweiten Fall wäre das Urheberrecht nicht verletzt.

«Bearbeitung» bedeutet in der Rechtsterminologie, «dass ein Werk unter Verwendung eines bestehenden Werkes so geschaffen wurde, dass das verwendete Werk in seinem individuellen Charakter erkennbar bleibt».

«Neugestaltung» liegt hingegen vor, «wenn die Wesenszüge des vorbestehenden Werkes im neuen Werk nicht mehr erkennbar beziehungsweise geradezu ‚verblasst‘ sind, auch wenn sich der Dritte am vorbestehenden Werk inspiriert hat».

Von «Verblassen» kann keine Rede sein, befanden die Richter nach eingehendem Textvergleich. Der «Hotelrevue»-Artikel sei «in seinen individuellen Zügen im beklagten Text erkennbar; originell formulierte Wendungen wurden teilweise fast gänzlich übernommen», heisst es im O-Ton in der Urteilsbegründung.

Und noch eine weitere Frage stellt sich an dem Exempel: Wie weit Zitate nämlich okay sind. Der «Blick» hatte die «Hotelrevue» ja korrekt als Quelle genannt.

Aus urheberrechtlicher Sicht darf ein Zitat nie Selbstzweck sein – also eine blosse Rechtfertigung dafür, dass ein Text oder Textteile einfach übernommen werden. Erlaubt ist ein Zitat nur dann, «wenn ihm eine dienende Funktion zukommt, indem es eine erläuternde, hinweisende oder veranschaulichende Funktion erfüllt», schreibt das Zürcher Handelsgericht weiter. Dies sei bei dem «Blick»-Abklatsch nicht der Fall gewesen.

Wegen der Verletzung des Urheberrechts der freien Journalistin hat das Gericht Riniger dazu verdonnert, den umstrittenen Artikel von der Website zu löschen.

«Da die Beklagte vollständig unterliegt, sind ihr die Gerichtskosten vollumfänglich aufzuerlegen.»

Die Klägerin arbeitet als freischaffende Journalistin auf eigene Rechnung, wie sie dem Gericht sagte. Sie pflege ihre Geschäfte über eine zu 100 Prozent von ihr gehaltene GmbH mit Sitz an ihrem Wohnsitz abzuwickeln. Sie übertrage aber keine Urheberrechte auf ihre GmbH. 

In dem beklagten Fall sei der «Hotelrevue» eine Lizenz zur (Erst- )Veröffentlichung des Artikels erteilt worden. Alle weiteren Urheberrechte seien uneingeschränkt bei ihr verblieben.