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Montag
20.05.2019

Medien / Publizistik

«Keine Akteneinsicht für Journalisten»

«Keine Akteneinsicht für Journalisten»

Der «Blick»-Journalist Marco Latzer habe sich beim Schaffhauser Kantonsgericht erst nach Akteneinsicht als Journalist geoutet, beschwerte sich die Behörde. Für den Presserat ist dies kein Grund, die Recherche als unsauber zu bewerten. Er lehnte die Beschwerde ab.

«So lügt die Flüchtlings-Betreuerin» titelte blick.ch und «Blick am Abend» am 13. Juli 2017: Ein Flüchtling habe eine Liebschaft gehabt mit der Flüchtlingsbetreuerin, die für ihn zuständig war. Sie habe den Afghanen dann aber angezeigt, weil er sie gestalkt haben soll, hiess es in der «Blick»-Story von Marco Latzer.

Im Artikel abgedruckt sind teilweise geschwärzte Ausschnitte der nicht publizierten Akten des hängigen Strafverfahrens vor dem Kantonsgericht Schaffhausen. Zudem wird im Artikel erwähnt, «Blick» habe sich mit dem Beschuldigten die Gerichtsakten angesehen.

Die Justizbehörde beschwerte sich beim Presserat, der «Blick»-Journalist hätte sich den Zugang zu den nicht-öffentlichen Akten «erschlichen». Marco Latzer habe sich gegenüber einer Gerichtsmitarbeiterin als «Kollege» des Beschuldigten bezeichnet. Er wolle beim Übersetzen der Akten helfen, habe er am Empfangstresen des Schaffhauser Kantonsgerichts gesagt.

Erst, als die beiden das Gericht wieder verliessen, habe Marco Latzer sich als Journalist geoutet, so die Darstellung des Gerichts.

«In Kenntnis der Sachlage» wäre dem Journalisten die Akteneinsicht in das noch laufende Strafverfahren verweigert worden, schreibt die Justizbehörde in der Beschwerde weiter.

Es sei der Beschuldige gewesen, der Akteneinsicht verlangt habe, nicht Latzer, konterte der «Blick» vor dem Presserat. Die Fragen der Mitarbeiterin danach, wer der Begleiter sei und wieso er da sei, seien «unzulässig» gewesen. Zudem habe sich Herr Latzer bereits beim ersten und nicht erst beim zweiten Nachfragen als Journalist bezeichnet.

Laut dem Journalisten-Kodex gehört zu einer «lauteren Recherche», sich gegenüber den Gesprächspartnern als Journalist zu erkennen zu geben.

Ob sich Marco Latzer schon vor oder erst nach der Akteneinsicht als Journalist outete, könne der Presserat nicht entscheiden. Hier stehe Aussage gegen Aussage.

Für das Gremium genügt aber, dass der «Blick»-Journalist sich überhaupt ausgewiesen habe, worin beide Parteien übereinstimmten. Der Pressrat lehnte die Beschwerde des Kantonsgerichts vollumfänglich ab.