Alain Berset platzierte gleich zu Beginn seiner Rede eine knackige Pointe: «Im Falle eines Weltuntergangs wäre ich am liebsten in der Schweiz», sagte der SP-Bundesrat vor den Gästen des Verlegerkongresses in Interlaken. Es folgte eine kleine Pause bis die bekannte Auflösung folgte: «Dort geschieht alles etwas später.»
Berset schickte Albert Einsteins Gedanken durch das Schweizer Politsystem: «Wahrscheinlich würde der Weltuntergang in der Vernehmlassung zerzaust; spätestens jedoch im Parlament. Vielleicht wären aber auch die verschiedenen Vorstellungen über einen angemessenen Weltuntergang bereits im Bundesrat unüberbrückbar», analysierte der Innenminister die Aussagen des Physikers.
«Und dann das Volk! Man darf annehmen, dass es den Weltuntergang ablehnen würde.» Lacher im Publikum. «Für einmal irrte Einstein also: Der Weltuntergang geschähe hierzulande nicht einfach später, er wäre völlig chancenlos.»
Ein schmunzelndes Publikum, das am Medienkongress bereits mehrfach an die Auspfiffe und Buhrufe, die SVP-Bundesrat Ueli Maurer ein Jahr zuvor bei seiner überdrehten Medienschelte erhielt, erinnert wurde.
Der Zeitgeist sei schon eher pessimistisch. «Die Zeitungen sind voll von geopolitischen Unsicherheiten, von der Krise der Mittelschicht, von Abstiegsängsten. Die unheilvollen Schlagzeilen vermehren sich, und das vor dem Hintergrund eines globalen Machtvakuums», so der Bundesrat. «Wer regiert die Welt? Schwer zu sagen. Der amerikanische Politologe Ian Bremmer beispielsweise spricht von der `G-0`. Man könnte auch sagen: Die stärkste Kraft ist die Globalisierung. Sie bringt grosse wirtschaftliche Chancen mit sich, aber auch eine tiefgreifende Verunsicherung. Das führt in vielen Ländern zu einem Rückzug auf das Eigene, Vertraute, Überschaubare», sagte Alain Berset.
Diese Dialektik sei auch in der Schweiz zu beobachten. «Unser Land gehört zu den am stärksten globalisierten Ländern überhaupt - mit allen Chancen, Risiken und Nebenwirkungen, die das beinhaltet», so Berset weiter und pochte im gleichen Brustton der Überzeug auf den Sonderfall Schweiz, genau wie seine politischen Gegner im rechten Lager: «In unserem Land - und nur hier! - treffen die globalen Marktkräfte auf die direkte Demokratie. Die Schweiz ist `bottom-up` aufgebaut, während die Logik der globalen Wirtschaft stark `top-down` funktioniert. Das macht die Schweiz zu einem Sonderfall, was die gesellschaftliche Akzeptanz der Globalisierung angeht. Wir beurteilen auch an der Urne, ob die verschiedenen Prozesse der Internationalisierung uns eher bedrohen - oder ob doch die Chancen überwiegen.»
Dann überlobte er aber wie die meisten Politiker dieses zur Zeit akademisch stark kritisierte marktwirtschaftliche System, gab aber vorher noch eins drauf. Es erscheine nämlich in der Logik der internationalen Arbeitsteilung als ein einziger «Wirtschafts-Cluster», kritisierte der Bundesrat, fügte dann aber an: «Und als ein höchst erfolgreicher dazu.»
In Teilen der Bevölkerung herrsche ein gewisses Unbehagen gegenüber einer Wirtschaft, die als von den Menschen abgekoppelt wahrgenommen werde. «Exorbitante Löhne, der Imperativ der ständigen Selbst-Vermarktung oder das Leben unter dem Damoklesschwert der nächsten Restrukturierung - all diese Aspekte der globalisierten Wirtschaft stossen mit Kernwerten unseres Landes wie Bescheidenheit und Beständigkeit zusammen», sagte er weiter, was nach seiner im grossen und ganzen gelungenen und pointierten Rede hart mit der Realität kollidierte, als das Verleger-Präsidium direkt im Anschluss einen Apéro im Fünfsternehotel Victoria Jungfrau für den Bundesrat ausrichtete - mit einem Türsteher und vom Entrée aus vor der Terrasse immer gut sichtbar, wer nebst der SRG-Spitze da noch auf ein Farbfoto und ein Gläschen Champagner geladen wurde - ganz im Geiste der «Selbst-Vermarktung».
Aussen vor blieb eine Männergruppe von ehemaligen und ein, zwei aktuellen Chefredaktoren, Journalisten und PR-Beratern, die zwar auch unter wunderschönen Kristallleuchtern weiter parlieren durfte, aber weder etwas zu trinken (Oh jeh!) noch Einlass erhielten (Oh jeh!).
Noch vor dem Frühfranzösisch kann der Klein Report hier nur sagen: Ein absolutes No-Go! Der ganze Popanz erschien äusserst peinlich und unangebracht, sind es doch gerade die Heerscharen von Journalistinnen und Journalisten, welche diese Kongresse und Feierlichkeiten durch ihre tägliche Arbeit erst ermöglichen.
Die Schweiz sei «bottom-up» aufgebaut, sagte Alain Berset doch. Die Logik der Wirtschaft stark «top-down».