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Montag
28.02.2022

TV / Radio

Die Beiträge sind inzwischen gelöscht: «Augenzeugin» aus Kiew...                 (Screenshot Bild TV)

Die Beiträge sind inzwischen gelöscht: «Augenzeugin» aus Kiew... (Screenshot Bild TV)

In Zeiten des Krieges müssen sich die Menschen auf beiden Seiten der Front auf glaubhafte Informationen verlassen können. Dass das hinter dem wieder aufgezogenen eisernen Vorhang nicht immer leicht ist, müssen wir im offenen Westen zur Kenntnis nehmen.

Umso schockierender ist es, wenn die Medien auch bei uns manipulieren.

Wie der Newsletter «Medien Insider» von Marvin Schade am Samstag aufgedeckt hat, konnte Bild TV einer Verlockung nicht widerstehen, mit dem neuen Sender besonders hautnah beim Krieg in der Ukraine dabei zu sein.

Bild TV schaltete am Donnerstag und Freitag immer wieder eine Lehrerin ins Programm, die direkt aus Kiew über den Schrecken des Krieges zu berichten wusste. Beispiel einer Schaltung am Freitag: «Mein 70-jähriger Vater ist an der Front. Er sitzt im Schutzgraben und kämpft mit allem, was er hat. Er hat eine kleine Pistole vom Opa aus dem 2. Weltkrieg. Er hat mir gesagt, dass er mich lieb hat ...»

Rührend. Doch das war eine Lüge noch eiskalter als der kalte Krieg. Wie «Medien Insider» glaubhaft darstellen kann, war die Lehrerin nicht aus Kiew zugeschaltet. Sie brachte ihr Publikum aus einem Versteck in Deutschland zum Weinen.

Schwerwiegend: Auch «Bild» betont seit Tagen, die Bevölkerung solle aufgrund des Informationskrieges auf unabhängige Medien vertrauen.

Die Auftritte der gefakten Augenzeugin berührten offensichtlich auch die Moderatoren, die immer wieder nach Live-Eindrücken vor Ort fragten, nach den Situationen der Kinder. Ihre Antworten waren ergreifend. «Morgen gibt es uns vielleicht nicht mehr.» Oder: «Wir sterben für euch, unsere Kinder sterben für euch!»

Immer wieder warnte sie vor Wladimir Putin und seiner Unberechenbarkeit. Über ihre eigene Rolle sagte sie, sie verstehe sich als Mittlerin zwischen der Ukraine, Deutschland und dem Westen.

Gemäss den Enthüllungen soll der wahre Standort der Protagonistin bei «Bild» bekannt gewesen sein. Andere im Axel-Springer-Konzern sprechen von einem «Missverständnis». Im Replay sind die Beiträge inzwischen gelöscht worden.

Auf Twitter hat sich «Bild» entschuldigt: «Der Hilferuf einer ukrainischen Lehrerin hat uns alle bewegt. Dennoch haben wir das Video offline genommen: Durch die emotionalen Schilderungen entstand sowohl bei unseren Moderatoren als auch bei den Zuschauern der Eindruck, dass sie gerade in Kiew sei. Das ist falsch.»

«Bild» musste auch eingestehen, dass bei seinem TV-Sender einige Bilder vom Kriegsgeschehen aus früheren Dokumentationen stammten, die nicht im Zusammenhang mit dem aktuellen Krieg stehen. Das waren aber «nur einige Sekunden». Die Bilder stammten aus einem Facebook-Video aus dem Jahre 2016.