Der Spendenaufruf des «Berner Landboten» (BLB) hat die ländlichen Gebiete südlich von Bern in Aufregung versetzt. Das liegt nicht nur an der Nachricht, dass die Gratiszeitung dringend Zeit benötigt, sondern auch an deren Einleitung.
«Seit zwölf Jahren stellen wir den ‚Berner Landboten‘ zwischen Belp und Spiez, Riggisberg und Zäziwil unserer Leserschaft zu. Unsere engagierte Redaktion hat in dieser Zeit eine grosse Leserbindung aufgebaut», schreibt Verleger Christof Ramseier gleich zu Beginn des Spendenaufrufs.
Das ist besonders früheren Redaktionsmitgliedern des BLB sauer aufgestossen. Denn mit der Suggestion, dass es die Gratiszeitung erst seit 2012 gibt, werden 40 Jahre Aaretaler Pressegeschichte ausgespart.
Für den ehemaligen BLB-Redaktor Matthias Engel, der von 2001 bis 2008 für die Zeitung schrieb, ist die verkürzte Geschichte im Spendenbrief kein Zufall. Gegenüber dem Klein Report sagt er: «Der ‚Berner Landbote‘ positioniert sich bewusst sehr rechts in der Medienlandschaft. Über andere Zeitungen spricht er auf seiner Website abschätzig als Mainstream-Medien.»
Engel: «Es tut mir weh, dass sich die Zeitung heute so sehr als Plattform für Impfgegner, Mobilfunkgegner und überhaupt Querdenker aller Art versteht», so Engel. «Kein Wunder, blendet der Verlag SR Medien Group AG aus Belp im Spendenaufruf aus, dass der ‚Berner Landbote‘ einst jahrzehntelang von etablierten Schweizer Medienhäusern herausgegeben worden ist.»
In der Dorfchronik «Münsingen – Geschichte und Geschichten» ist akribisch festgehalten, dass die Wurzeln der Zeitung nicht am heutigen Verlagsstandort im Gürbetal liegen, sondern im benachbarten Aaretal. Dort wurde 1972 in Münsingen denn auch von Edgar Bächtold in der Firma Fischer Druck eine monatliche Publikation mit dem Titel «AareTal» lanciert.
«1976 entschloss sich Bächtold, mit dem ‚Chisetaler‘ eine ähnliche Zeitung für die Nachbarregion herauszugeben. Nach 150 Ausgaben von ‚AareTal‘ und 108 des ‚Chisetalers‘ fusionierten dann 1985 die beiden Regionalzeitungen zum ‚Berner Landboten‘, an dem die Fischer Druck mit 50 Prozent beteiligt war – eine Reaktion auf die neu eingeführte Verteilung der Stadtberner Gratiszeitung ‚Berner Bär‘ in die Münsinger Haushalte», schreibt die Münsinger Dorfchronik.
Später wanderte der «Berner Landbote» von Verlagshaus zu Verlagshaus: Auf Fischer Druck folgte in den 1990er-Jahren die Zenger & Partner AG, die den Titel wiederum 2005 der Mediengruppe Vogt-Schild verkaufte.
Seit März 2009 gehörte die Gratiszeitung zu den AZ Medien, welche sich in der Zwischenzeit Vogt-Schild einverleibt hatte. Erst die AZ Medien verkauften vor rund zehn Jahren den «Berner Landboten» an den heutigen Verleger Christof Ramseier, der die Zeitung im Verlag SR Medien Group AG herausgibt.
Heute steht im Redaktionsleitbild, das so auch auf der Website abrufbar ist: «Unser Team steht für den Mut, die Balance zu halten. Wir ziehen die Waagschalen dort runter, wo sie auf der anderen Seite – durch die Mainstream-Medien nicht selten mit zu viel Einheitsbrei gefüllt – in die Höhe schnellen. Nur so ist Meinungsbildung möglich. Unser Team will hinter die Dinge sehen. Deshalb führen uns unsere Recherchen in die Tiefe und hinter die Informationen des Internets. Wir hören nicht auf zu fragen und bauen auf Erfahrung und gesunden Menschenverstand; aber auch auf neue Erkenntnisse, auf verschüttete und verborgene Informationen und leuchten so Hintergründe aus.»
Die kommenden Wochen werden zeigen, ob diese Art von Journalismus «zwischen Belp und Spiez, Riggisberg und Zäziwil» genügend private Geldgeber findet.