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Freitag
09.05.2003

Ein Bericht der RAI-Tagesschau «TG3» über den Korruptionsprozess, bei dem der italienische Regierungschef Silvio Berlusconi auf der Angeklagtenbank sitzt, sorgt für verschärfte Spannungen in Rom. Der Bericht über Berlusconis Auftritt als Zeuge vor dem Mailänder Gericht am Montag hatte beim Regierungschef Empörung ausgelöst, weil TG3 lang einen Bürger gefilmt hatte, der im Gerichtssaal den Premier beschimpfte. «Du wirst wie (der ehemalige rumänische Diktator Nikolai) Ceausescu enden», hatte der Mann geschrien. Berichtet wurde im Detail auch über die Vorwürfe gegen Berlusconi, dem Richterbestechung vorgeworfen wird.

Berlusconi hatte «TG3» wegen des Berichts kritisiert und der Redaktion vorgeworfen, ihm politisch schaden zu wollen. Am Donnerstag wurde die Redaktion von zwei RAI-Inspektoren besucht, die eine interne Untersuchung über den umstrittenen Bericht einleiten werden. «Die Inspektoren haben den Chefredaktor und die Verfasser des Berichts befragt. Wir stehen vor einer Einschüchterungsaktion und einer gravierenden Attacke gegen die Pressefreiheit in Italien», schimpfte der Verband der RAI-Journalisten. Aus Protest gegen die «Inspektion» treten die Journalisten von «TG3» am Freitag in den Streik. Die Redaktionen aller grossen Tageszeitungen und Tagesschauen solidarisierten sich mit den Kollegen von «TG3». «Berlusconi will ein Regime aufbauen und die Medien unter seine Kontrolle bringen», warnte der Ex-Starermittler Antonio Di Pietro, der als erster 1994 Korruptionsermittlungen gegen Berlusconi eingeleitet und damit für Aufruhr gesorgt hatte. Nachdem die RAI-Inspektoren den Chefredaktor von «TG3» und die Verfasser des Berichts befragt haben, droht Berlusconi auch die Unterstützung regierungsfreundlicher Journalisten zu verlieren. «Solche Inspektionen erinnern an das irakische Regime», betonte der Chefredaktor der rechtsliberalen Tageszeitung «Il Foglio», Giuliano Ferrara. Die Italiener aller politischer Richtungen sollten begreifen, wie wichtig die Verteidigung der Medienfreiheit ist, die derzeit angegriffen wird», betonte die Journalistengewerkschaft der Mailänder Tageszeitung «Corriere della Sera».