Die Direktion der Pariser Zeitung «Le Monde» ist mit heftigen Attacken über mutmassliche Bilanztricks und gezielte politische Einflussnahme konfrontiert. Das Wochenmagazin «L`Express» veröffentlicht in seiner jüngsten Ausgabe Auszüge aus einem Skandalbuch der Journalisten Pierre Péan und Philippe Cohen («La face cachée du Monde»), das am kommenden Mittwoch erscheinen soll. Darin werden namentlich «Le-Monde»-Herausgeber Jean-Marie Colombani und Chefredaktor Edwy Plenel hart angegangen. Colombani und Plenel hätten das Renommierblatt seit Mitte der 90er Jahre von seinem Kurs abgebracht. Ihnen werden Denunziation, Zynismus und Machtmissbrauch vorgeworfen.
Plenel soll nach den Vorwürfen der beiden Buch-Autoren in unzulässiger Weise mit einem Chef der Polizeigewerkschaft zusammengearbeitet haben. Durch Statutenänderungen habe Colombani verhindert, dass sich vor seiner Wiederwahl als Herausgeber im Jahr 2000 Gegenkandidaten präsentieren konnten. Vor den Präsidentschaftswahlen 1995 habe sich die Direktion auf die Seite des konservativen Bewerbers Edouard Balladur geschlagen, ohne dies redaktionell klar zu erkennen zu geben. Ausserdem werfen die beiden Journalisten der Leitung von «Le Monde» vor, mit Blick auf einen geplanten Börsengang die Bilanzen geschönt dargestellt und Millionenverluste des Blattes vertuscht zu haben. Colombani habe sich unterdessen masslos bereichert, sein Monatsgehalt auf fast 30 000 Euro (rund 43 800 Franken) heraufgesetzt und versucht, durch Versteuerung seines Einkommens am Wohnort seiner korsischen Familie ungerechtfertigte Vorteile zu erlangen.
«Le Monde» reagierte in ihrer Samstagsausgabe zunächst nur mit einer kurzen Notiz «An unsere Leser» auf die Attacke. Bevor das Buch nicht vollständig erschienen sei, werde «Le Monde» dazu nicht Stellung nehmen, heisst es darin. Anschliessend werde eine Reaktion in der Zeitung selbst erscheinen. Zugleich wurde mitgeteilt, am Mittwoch werde am Pariser Sitz eine Redaktionssitzung stattfinden. Daran wollen Colombani und Plenel teilnehmen.
Freitag
21.02.2003