Am 24. März 2023 lädt Nationalratspräsident Martin Candinas zur ersten Behindertensession der Schweiz. Einen Nachmittag lang debattieren Menschen mit Behinderungen im Bundeshaus ihre Anliegen im Hinblick auf ihre politische Teilhabe.
Für die Session werden den Behinderten 22 Prozent der Parlamentssitze oder 44 Plätze im Nationalratssaal überlassen. Dies entspricht gemäss Statistik dem Anteil an Menschen mit Behinderung in der Schweizer Bevölkerung.
Wer teilnimmt, wird in einer Wahl ermittelt. Zur Wahl können sich alle Menschen mit Behinderungen stellen. Wählen kann jede und jeder.
Einer von ihnen ist Islam Alijaj. Im Februar 2022 wurde er in den Gemeinderat Zürich, dem Parlament der grössten Schweizer Stadt, gewählt. «Als Sprech- und Körperbehinderter, als Secondo mit dem Namen Islam, als Neunter auf der SP-Liste: Eigentlich ein aussichtsloses Vorhaben», schreibt er dazu auf seiner Webseite.
Die trotzdem erfolgreiche Wahl hat dem Projektleiter und Handicap-Lobbyisten Mut zu weiteren Taten gemacht.
«Jetzt geht’s richtig los. Denn das Jahr 2023 wird historisch», schreibt Islam Alijaj in der ersten Ausgabe seines persönlichen Newsletters, in welchem er seinen Unterstützerinnen und Unterstützern «Schöns Neus – und willkommen in der Behindertenrevolution!» wünscht.
Einer solchen will Alijaj Schubkraft verleihen mit einem Buch. «Das Manifest. Wir müssen reden» kommt am 10. Mai beim Limmatverlag heraus. «Anhand meiner Biografie lest ihr unzensiert und ehrlich, was im Behindertenwesen abgeht. Ein Krimi, aber auch eine Ansage, was in der Politik in den nächsten Jahren passieren muss», schreibt dazu der Autor.
Eine solche Politik hofft er nach dem Erfolgserlebnis bei den Gemeinderatswahlen im Herbst auch in Bern mitgestalten zu können. Islam Alijaj kandidiert für den Nationalrat. «Ich hab’s auf Instagram schon gesagt: Ich will in den Nationalrat. Ich hab’s satt, wie’s läuft, und ich will es selber besser machen. Dafür arbeiten wir schon jetzt mit Hochdruck an einer Kampagne. Ziel: Auffallen, zu reden geben, Mobilisieren», schreibt er in seinem Newsletter.
Vorher hofft er, bereits an der Behindertensession teilnehmen zu können. Dafür könne man ihn noch bis am 21. Januar wählen. Seine Stimme abgeben kann man über die Webseite proinfirmis.ch.
Mit seinen medienwirksamen Projekten habe es Islam Alijaj geschafft, auch viele andere Menschen mit Behinderung zum politischen Engagement anzuspornen, meint dazu Matthias Engel, der sich selber stark für Menschen mit Behinderungen einsetzt.
Engel ist beruflich Mediensprecher des Schweizerischen Baumeisterverbands sowie Zürcher FDP-Mitglied und wie Alijaj ebenfalls Vorstandsmitglied der Selbsthilfeorganisation Tatkraft. Zudem engagiert er sich im Vorstand von Procap Kanton Zürich, wie er dem Klein Report im Gespräch sagte.
Auf Twitter schreibt Engel, wieso auch er schon lange eine politische Stimme der Behinderten für wichtig erachtet und deshalb in Zürich für den Kantonsrat wie auch für die Behindertensession kandidieren will: «Viele Politiker*innen erzählen, wie wichtig Sparsamkeit und Recycling sind. Ich dagegen handle – und habe für 2 Wahlkämpfe 1 Wahlvideo erstellt: für die Kantonsratswahlen (14. Februar) und die Behindertensession-Wahl (21. Januar).»