Ein Journalist hegt Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Schweizer Presserates: Dominik Feusi, Leiter Bundeshausredaktion der «Basler Zeitung» (BaZ), stellt die Beschwerdeinstanz für medienethische Fragen unter «ideologischen Verdacht», wie er dem Klein Report sagt. Er unterstellt dem Presserat, dass er linke Gewerkschaftspolitik betreibt.
Zwei jüngere Entscheide des Presserates veranlassten Feusi dazu, für die «Basler Zeitung» den Beitrag «Presserat: Falsches Wahrheitsministerium» zu verfassen. Der Presserat gebärde sich «in letzter Zeit gerne als Wahrheitsministerium», so die Feststellung des Bundeshausredaktors. «Man fragt sich: Ist dem Presserat seine Glaubwürdigkeit egal? Gilt die Wahrheitspflicht nur für Journalisten oder auch für den Presserat?», lautete sein Fazit.
Das Fass zum Überlaufen gebracht hat gemäss Dominik Feusi unter anderem eine Stellungnahme des Presserats vom 26. Juni 2017. Das Gremium befasste sich mit einer Liste mit «9 Gründen, wieso du an den Frauenmarsch gehen solltest», die bei Watson publiziert wurde. Kernaussage: Der Durchschnittslohn von Frauen liege nach wie vor 18,4 Prozent tiefer als bei Männern – für die gleiche Arbeit. Mehr als ein Drittel der Lohnunterschiede lasse sich nicht mit objektiven Merkmalen erklären, «sondern geht direkt auf Diskriminierung zurück».
Der Autor des Beitrages stützte sich bei dieser Analyse auf die Webseite www.lohngleichheit.ch sowie eine Publikation des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes aus dem Jahr 2009, «eine in dieser Sachfrage glaubwürdige Quelle», wie der Presserat in seiner Stellungnahme formulierte. Die Beschwerde gegen Watson hat er aus diesem Grund auch abgewiesen.
Anders als der Presserat hegt Feusi deutliche Zweifel an der gewerkschaftlichen Quelle. «Schauen Sie sich das `Urteil` betreffend Lohngleichheit und Watson an: Ein uraltes und parteiliches Gewerkschaftspapier wird als `glaubwürdig` und weiter unten dann auch noch als `seriös` bezeichnet, obwohl beim Thema Lohngleichheit in den letzten Jahren einiges gegangen ist. Aber es darf halt offenbar nicht sein, was nicht sein darf», sagt er zum Klein Report.
Grund für seine Kritik am Gremium: Der Presserat mache – «ob bewusst oder nur fahrlässig» - Politik. «Sowohl die tragende Stiftung als auch der Presserat selber sind wesentlich von den Gewerkschaften beeinflusst», führt Feusi dazu aus und zeichnet ein düsteres Bild des Gremiums. «Neben der Vertretung der Gewerkschaften dominieren – etwas böse zugespitzt – pensionierte oder abgehalfterte Journalisten.»
Sämtliche Mitglieder des Presserats stünden gemäss dem Journalisten zudem mehr oder weniger weit links der Mitte. «Ich erkenne niemanden, der eine andere politische Einstellung hätte», findet Feusi. Diese «politische Einseitigkeit» sei denn auch der Grund, weshalb der Presserat automatisch zu Fehleinschätzungen komme.
Konfrontiert mit Feusis Vorwürfen betonte der Presserat, dass er Beschwerden «vollkommen unabhängig auf der Basis des Journalistenkodex, der von der Branche erlassen wurde», beurteile. Die Zusammensetzung der Kammern sei öffentlich, heisst es weiter. «Dabei wird auf eine angemessene Vertretung der Sprachregionen und der Geschlechter geachtet. Politische Affilierungen sind für die Arbeit des Presserates nicht relevant», lautet die Stellungnahme gegenüber dem Klein Report.
Träger der Stiftung Schweizer Presserat, welche für die Sicherstellung der Arbeit des Presserates zuständig ist, sei unter anderem auch der Verband Schweizer Medien (VSM): «Die BaZ ist Mitglied des Präsidiums des VSM. Die Zusammensetzung der Stiftung ist sozialpartnerschaftlich organisiert. Dabei nimmt jeder Träger Einsitz im Stiftungsrat. Auch diese Zusammensetzung ist öffentlich einsehbar», so das offizielle Statement.
In seinem Beitrag für die «Basler Zeitung» kritisierte Dominik Feusi den Presserat auch in einem zweiten Fall, der die BaZ selber betroffen hat. Nach Ansicht des Presserats enthielt der Artikel «Sex mit Minderjährigen in Reinacher Asylheim» mehrere Passagen, die auf nicht belegten Mutmassungen beruhten.
Trotz Kritik verzichtete die Zeitung darauf, die Stellungnahme des Presserats zu publizieren. «Ich finde das gut so. Der wichtigste Beurteiler meiner Arbeit ist der Leser, er braucht keine ideologiebehafteten Pseudorichter», findet Feusi.