Nach der Tessiner Schocknachricht vom «Giornale del Popolo» stellt sich die Frage, ob der Publicitas-Konkurs weitere kleinere und mittlere Verlage in den wirtschaftlichen Ruin treibt.
«Ja, ein ähnliches Schicksal kann drohen», sagt Moreno Cavaliere, Delegierter vom «Corriere del Ticino» und der MediaTI Marketing SA, im Interview mit dem Klein Report.
Die Nachricht, dass das «Giornale del Popolo» (GdP) eingestellt wird, kam scheinbar wie aus heiterem Himmel. Wie konnte es soweit kommen?
Moreno Cavaliere: «Es ist natürlich ein Drama für die betroffenen Mitarbeiter. Das tut mir für jeden einzelnen sehr leid, denn gerade auch im Tessin sind die Medienarbeitsplätze rarer geworden. Ganz überraschend kommt das aber nicht. Mit der Loslösung vom `Corriere del Ticino` in einer langjährigen Werbemarktkombination und der gleichzeitigen Verabschiedung vom nationalen Werbemarkt hat sich das GdP wohl zu viel zugemutet. Mit der gleichzeitigen Rückkehr in die Vermarktung der Publicitas hat sich die wirtschaftliche Situation dann gleich noch potenziert. Eine Negativspirale ohne Ausweg sozusagen.»
Gibt es weitere Verlage, denen nun ein ähnliches Schicksal droht?
Cavaliere: «Man muss differenzieren: Es kann durch den Konkurs der Publicitas zu einem massiven Ausfall von Geldern kommen. Das kann in einem Liquiditätsproblem enden. Eine viel grössere Herausforderung für viele kleinere und mittlere Verleger ist aber die zukünftige Vermarktung.»
Können Sie das genauer ausführen?
Cavaliere: «Es fehlen einerseits Leute, die das machen können, und andererseits aber auch Systeminfrastrukturen, die eine saubere Auftragsverarbeitung garantieren. Beides sind kritische Faktoren, wenn sie ausfallen. Um Ihre Frage von vorher konkret zu beantworten: Ja, ein ähnliches Schicksal kann drohen. Dazu organisiert der Verband Schweizer Medien am 30. Mai eine Fachveranstaltung, um Lösungsansätze für solche Fragestellungen aufzuzeigen.»
Welches sind die Abklärungen, die nun von ehemaligen Verlagskunden der Publicitas gemacht werden?
Cavaliere: «Das kann ich nicht abschliessend beurteilen. Ich kann lediglich sagen, dass die Gründung der AdAgent AG, die ihre Arbeit am kommenden Dienstag aufnimmt, ein Teil der Probleme lösen kann. Mindestens was die Auftragsabwicklung auf dem nationalen Werbemarkt betrifft.»
Wo suchen die Verlage sonst noch Unterschlupf?
Moreno Cavaliere: «Ich gehe davon aus, dass zurzeit ganz viele bilaterale Gespräche zwischen `Gleichgesinnten` stattfinden. Es gibt aber Marktteilnehmer wie natürlich die Verlagshäuser selber, die genannte AdAgent, aber auch andere Vermittler und Vermarkter, die allenfalls nun in die entsprechenden Lücken springen und so dazu beitragen können, dass sich der Printmarkt insgesamt stabilisiert. Das wünsche ich mir auf jeden Fall, wenn ich einen Wunsch anbringen darf!»