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Montag
18.04.2022

Medien / Publizistik

Zürich2-CO2-Gesetz-ist-monetär-diktiert-Jürg-Wick-Presserat-Beschwerde-Klein-Report

Ein Autofreund und ein Klimaschützer sind aneinandergeraten: Die Lokalzeitung «Zürich 2» hat einen Artikel von Jürg Wick mit dem Titel «CO2-Gesetz ist monetär diktiert» am 27. Mai 2021 veröffentlicht. Am 13. Juni 2021 stand die Volksabstimmung an.

Der Beitrag handle von einem Richtungsentscheid, wie der Presserat zum Sachverhalt schreibt. Die Lokalzeitung beginnt den Text mit den Worten: «Bleibt die Schweiz eher bürgerlich, oder tendiert sie nach links, wie es von den Medien, inklusive SRF, ziemlich durchsichtig postuliert wird?»

Autor Wick bezog in seinem als Kommentar erkennbaren Artikel mit der Spitzmarke «Tribüne» klar Stellung gegen das vom Bundesrat vorgelegte und vom Parlament beschlossene Gesetz.

Der Presserat fasst den Text mit den monierten Stellen zusammen: «Der ‚so genannte Klimawandel‘ dominiere zwar, doch handle es sich gar nicht um einen Wandel, sondern ‚um einen Anstieg der durchschnittlichen Temperaturen, wie es ihn in den zurückliegenden 150’000 Jahren regelmässig gab, mit daraufhin zuverlässig wieder sinkenden Temperaturen‘. Aktuell lebe die Menschheit in angenehmen Zeiten, worüber sie sich – auch wenn ‚Defaitisten‘ dies anders sähen – gerade in einer Pandemie freuen sollte.»

Weiter poltert Autor Wick, dass in die Diskussionen um das Gesetz die Betonindustrie nicht eingebunden worden sei. «Falls die Stimmbevölkerung dem CO2-Gesetz zustimme, müssten ‚intakte Ölheizungen (...) ersetzt werden‘. Die Abstimmung greife tief in das Portemonnaie der Bürger hinein, Transporte würden ‚sicher teurer‘. Zwölf Rappen mehr pro Liter Treibstoff wären verkraftbar.

Wick: «Aber im Kampf gegen den ‚Klimawandel‘ wird es nicht helfen, weil die Ölmultis darauf reagieren können.» Eine Annahme des Gesetzes nütze lediglich dem Staat und seinen Angestellten. Letztere hätten – anders als Beschäftigte in der freien Marktwirtschaft – noch jede wirtschaftliche Holperstrecke ohne Lohneinbussen überstanden.

Die Beschwerde, die am 28. Mai 2021 beim Presserat einging, monierte einen Verstoss gegen die Ziffern 1, 2, 3 und 10 der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten».

Die «Wahrheitssuche» sei erstens verletzt, so der Beschwerdeführer, weil die Überschrift eine Meinung als Fakt darstelle – sie suggeriere dem Leser, er könne guten Gewissens «nach Geldbeutel» abstimmen; zweitens habe es einen so steilen Temperaturanstieg – anders als behauptet – in den letzten 150’000 Jahren nicht gegeben; und drittens sei die Behauptung, dass intakte Ölheizungen im Fall einer Annahme der CO2-Initiative ersetzt werden müssten, sachlich falsch.

Auch sei der «Meinungspluralismus» verletzt, weil der Artikel den Sachverhalt «Klimawandel» einseitig und falsch darstelle und weil Wissenschaftler, die die Gefahren des Klimawandels seit Jahrzehnten aufzeigten, einseitig als «Defaitisten» verunglimpft würden.

Und verletzt sei auch die Trennung zwischen redaktionellem Teil und Werbung sowie Sponsoring, Koppelung von redaktionellen Berichten und Werbung. Denn es sei unklar, ob es sich beim Artikel um eine bezahlte Marketingkampagne im Kundenauftrag von JW-Automotive handle und wer diese finanziert habe.

Der Presserat fasst den Ärger des Beschwerdeführers zusammen: «Aufgrund der Verquickung des Autors mit Automobilinteressen sollte klar gekennzeichnet sein, ob es sich um einen redaktionellen Beitrag, einen Kommentar der Privatperson Jürg Wick oder um eine bezahlte Kampagne handelt – inklusive einer Offenlegung seiner Partikularinteressen und beruflichen Bindungen in diesem Bereich. Die Zeitungsseite mit der am Kopf stehenden Bezeichnung ‚Die Seite für den Autofahrer‘ sei optisch genauso gestaltet wie die Rubrik ‚Vermischtes‘ auf der nebenliegenden Seite.»

Der Presserat heisst die Beschwerde nur in einem Punkt gut: «‚Zürich 2‘ hat mit einer wahrheitswidrigen Aussage im Artikel ‚CO2-Gesetz ist monetär diktiert‘ vom 27. Mai 2021 gegen Ziffer 1 (Wahrheitspflicht) der ‚Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten‘ verstossen.

Die Erwägungen des Presserates in Teilen: «Der Beschwerdeführer moniert, der Artikel von ‚Zürich 2‘ verletze mit drei Aussagen Richtlinie 1.1 (Wahrheitssuche) der ‚Erklärung‘. Zuzustimmen ist ihm, dass die Behauptung, bei einem Ja zum CO2-Gesetz müssten ‚intakte Ölheizungen (...) ersetzt werden‘, sachlich falsch ist. Dies konzediert im Übrigen auch die Beschwerdegegnerin, wenn sie in ihrer Beschwerdeantwort schreibt, diese Aussage könne ‚in dieser verkürzten Form tatsächlich missverständlich aufgenommen werden‘. Die Wahrheitspflicht ist verletzt.»

Hingegen sei die Aussage im Titel, wonach das CO2-Gesetz monetär diktiert sei, als Meinungsäusserung zulässig, zumal der Artikel mit der Bezeichnung «Tribüne» erkennbar als Kommentar gekennzeichnet ist. An der Grenze des Zulässigen bewege sich Jürg Wick, der Verfasser des Meinungsbeitrags, mit der Aussage, beim «so genannte(n) Klimawandel» handle es sich «um keinen Wandel, sondern um einen Anstieg der durchschnittlichen Temperaturen, wie es ihn in den zurückliegenden 150’000 Jahren regelmässig gab, mit daraufhin zuverlässig wieder sinkenden Temperaturen, bis hin zur Unbewohnbarkeit auf über 50 Grad Nord». Gemäss übereinstimmendem Konsens nahezu sämtlicher weltweit mit dem Thema befasster Wissenschaftler ist die durchschnittliche Temperatur noch nie so abrupt angestiegen wie zuletzt.

«Zürich 2» versicherte in ihrer Beschwerdeantwort gemäss Presserat, dass es sich beim Artikel von Jürg Wick weder um eine Marketingkampagne noch um einen bezahlten Werbebeitrag handle. Die Lokalzeitung verwies auf ihre redaktionelle Praxis, Publireportagen stets entsprechend auszuweisen.

Der Presserat sieht keinen Anlass, an der Darstellung der Beschwerdegegnerin zu zweifeln. Bei Wicks Artikel handelt es sich um einen pointierten Meinungsbeitrag, der mit der Spitzmarke «Tribüne» für die Leserschaft klar als solcher erkennbar ist. Der Beschwerdeführer belegt seine Vermutung nicht, dass Gegner des CO2-Gesetzes hierfür Geld oder andere Gegenleistungen geboten haben.

Von einer Redaktion zu verlangen, bei einem regelmässigen oder gar ständigen Autor unterhalb jedes Artikels wie auch immer geartete Partikularinteressen offenzulegen, scheint übertrieben, so der Presserat.

Wer «Zürich 2» regelmässig lese, wisse, dass Jürg Wick der Automobilbranche positiv gegenübersteh (ein Eindruck, der sich auch bei der Lektüre des unterhalb der «Tribüne» platzierten Artikels «Ein Cadillac wird sozialverträglich» aufdrängt). Dies bemerkt aber auch, wer bloss die «Tribüne» liest, ohne zuvor jemals einen Text dieses Autors gelesen zu haben. Die Leserschaft kann die im Kommentar transportierte Meinung somit ohne Weiteres einordnen.