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Donnerstag
07.12.2023

Medien / Publizistik

Aus dem ehemaligen amtlichen Publikationsorgan wird eine Wochenzeitung mit sechsköpfiger Redaktion... (Bild © Anzeiger)

Aus dem ehemaligen amtlichen Publikationsorgan wird eine Wochenzeitung mit sechsköpfiger Redaktion... (Bild © Anzeiger)

Christof Ramseier, Inhaber und Geschäftsführer von Scribentes Media, versucht im Raum Bern einen neuen Coup zu landen: Am Mittwoch erscheint der «Anzeiger Region Bern» zum ersten Mal als unabhängige Wochenzeitung mit eigener Redaktion.

Das ehemalige amtliche Publikationsorgan sieht nicht mehr aus wie bisher. Neu findet man darin Recherchen, Porträts, Kulturkritiken oder Interviews.

Die amtlichen Meldungen mit Bezug zu Stadt und Region Bern sind zurzeit zwar noch im «Anzeiger» zu finden. Bereits ab Januar 2024 wird er aber nicht mehr offizielles Publikationsorgan sein und nicht mehr gratis an alle Haushalte geliefert, wie der «Anzeiger» in eigener Sache schreibt.

«Das hat zur Folge, dass rund 200 Personen, die bisher den ‚Anzeiger‘ auslieferten und den Vertrieb organisierten, ihre Stellen verlieren. Umso schwerer wiegt das für uns, weil es vorwiegend Menschen sind, die es auf dem Arbeitsmarkt nicht leicht haben werden», schreibt das Blatt weiter.

Grund für die Veränderungen ist das Geld. Über lange Jahre spülte der «Anzeiger Region Bern» den angeschlossenen Gemeinden regelmässig Gewinne ein. Als die Inserateeinnahmen in den 2010er-Jahren zurückgingen, mussten sich die Gemeinden fortan an den Kosten von Druck und Vertrieb beteiligen. Für einen Teil der amtlichen Meldungen, die bisher gratis waren, mussten sie neu bezahlen.

Das löste Widerstand aus. 2018 verlangte der Verband bernischer Gemeinden (VBG), dass der Kanton die Gemeinden von der Pflicht entbinde, ihre Mitteilungen aktiv an alle Haushalte schicken zu müssen. Der Verband rannte offene Türen ein, das Vorhaben passte in die Digitalisierungsstrategie des Kantons.

134 Gemeinden und viele Verbände lehnten die Änderung des Gemeindegesetzes 2020 im Rahmen der Vernehmlassung ab. Sie verwiesen etwa auf die zahlreichen Menschen, die sich im Internet nicht zu Hause fühlen. Im Kantonsparlament wurde die Vorlage jedoch durchgewunken, man versprach sich davon eine Entlastung der Gemeindekassen.

Seit 2023 können die Gemeinden nun selbst entscheiden, ob sie sich weiterhin einen Print-Anzeiger leisten wollen. Schnell wurde klar: Die Stadt Bern und die allermeisten Agglomerationsgemeinden wollen es nicht. 

Als Retter in der Not sprang Christof Ramseier in die Bresche. Der langjährige Geschäftsführer des Gemeindeverbands Anzeiger Region Bern und Herausgeber des «Berner Landboten» wollte den «Anzeiger» aber nicht einfach so von der Bildfläche verschwinden lassen. Und so übernahm Ramseier den «Anzeiger» und führt ihn nun als unabhängige, lokale Wochenzeitung weiter.

Produziert wird der neue «Anzeiger» von einem sechsköpfigen Redaktionsteam zusammen mit einem Team von freien Mitarbeitenden. Der publizistische Fokus ist denkbar weit: Die neue Wochenzeitung will über das politische, wirtschaftliche, gesellschaftliche und kulturelle Geschehen in Stadt und Region Bern informieren. «Kritisch, aber fair und ausgewogen; sachlich, aber trotzdem unterhaltsam», so der Anspruch.

Die Gemeinden haben weiterhin die Möglichkeit, den «Anzeiger Region Bern» als Plattform für ihre amtlichen Meldungen zu nutzen. Zudem können sie ihren Vereinen und Parteien Platz im «Anzeiger» zur Verfügung stellen, losgelöst von den redaktionellen Inhalten. 

Von dieser Möglichkeit hat die Gemeinde Stettlen Gebrauch gemacht. Der neu aus der Taufe gehobene «Anzeiger Region Bern» ist weiterhin das amtliche Publikationsorgan der Berner Vorortgemeinde.