«anthrazit»-Herausgaber Christian Schwengeler erklärte am Dienstag gegenüber dem Klein Report, warum die Zeitschrift ausgerechnet nach der umsatzstärksten Ausgabe eingestellt worden ist und wieso er fest überzeugt ist, dass in zehn Jahren kaum mehr jemand über seinen Computer News abrufen wird.
Warum kam das Aus für die Zeitschrift ausgerechnet jetzt?
Christian Schwengeler: Aus finanzieller Sicht mag unser Schritt überraschen. Das September-Heft war nicht nur die auflagenstärkste Nummer, sondern hat auch den höchsten Umsatz aller Ausgaben generiert. Wir können auch mit Stolz sagen, dass die antrazit ag seit 2003 schwarze Zahlen schreibt. Meine Geschäftspartnerin und ich sind beide an einem neuen Lebenspunkt angelangt. Ihr Ausscheiden aus dem Unternehmen war seit Längerem absehbar. Dass sich die Prioritäten einer werdenden Mutter ändern, ist nachvollziehbar. Klar war aber auch, dass ich weder Zeit noch Musse haben würde, das Heftprojekt ohne sie nochmals neu zu strukturieren. Meine Faszination und Begeisterung galt schon vor zehn Jahren der Entwicklung eines Mobile-Systems. Nun ist das Produkt marktreif.
Wäre ein Verkauf des Titels an einen anderen Verlag keine Option gewesen?
Schwengeler: Das ist immer noch eine Option, für die wir nach wie vor offen sind. Verkaufsverhandlungen haben für mich aber nicht erste Priorität. Aber natürlich wäre es schön, wenn jemand mit so viel Herzblut wie meine bisherige Geschäftspartnerin das Heft übernehmen würde und so das Magazin weiter erscheinen könnte. Eine gewisse Leserschaft wird auch in zehn Jahren noch Papier bevorzugen.
Wie viele Ausgaben wurden denn zuletzt noch verkauft?
Schwengeler: Die Auflage belief sich auf 65 000 Exemplare, Wemf-bestätigt waren es 2009 56 171 Exemplare. Die Zahl der Abonnenten war in den letzten Monaten jedoch stark rückläufig. Ganz im Gegensatz zu den Nutzungszahlen im Online- und Mobilebereich.
Warum hat man sich gegen eine Abschluss-Nummer entschieden?
Schwengeler: Weil noch nicht ganz Schluss ist. Es ist durchaus in unserem Sinne, künftig einzelne Sonderausgaben wie zum Beispiel die «Die 200 besten Websites der Schweiz» zu drucken. Wir haben am Dienstag bewusst nur das Ende der periodischen Erscheinungsweise verkündet.
Wie gross schätzen Sie die Chancen ein, für die Printversionen von «Die 200 besten Websites der Schweiz» und «Die 100 nützlichsten E-Shops der Schweiz» allenfalls einen Verlag als Käufer zu finden?
Schwengeler: Das wird eher schwierig, da der Brandname und das gute Renomée einiges wert sind. Über eine Kooperation wird zurzeit verhandelt.
Wie viele Angestellte werden Ihre Stelle verlieren?
Schwengeler: Niemand verliert seine Stelle. Aber gewisse Freelancer werden vorläufig keine Aufträge mehr erhalten.
Gibt es künftig noch ein Redaktionsteam?
Schwengeler: Ja, dieses fokussiert jedoch mehr auf das Aufbereiten von Daten für mobile Geräte. Es wird in den nächsten Monaten in diesem Bereich einige Überraschungen geben
Warum glauben Sie an den Erfolg eines reinen Onlineauftritts von «antrazit»?
Schwengeler: An einen reinen Onlineauftritt glaube ich nicht. Aber an einen Auftritt im Mobilebereich. Es gibt wohl kaum jemanden, der in fünf bis zehn Jahren noch News oder Bereichte auf dem PC lesen wird. Diese Nachrichtenfunktion werden Tablet-PC oder Smartphones übernehmen.
Verstehen Sie sich neu zu 100 Prozent als IT-Service-Provider? Welchen Stellenwert hat die neu auf den mobilien Bereich ausgerichtete verlegerische Tätigkeit künftig noch?
Schwengeler: Wir entwickeln «digitale Gefässe mit Funktionen». Doch der Kern sind die Daten. Die verlegen wir natürlich weiterhin. Weiter werden sich alle Verlage früher oder später mit diesem Thema beschäftigen wollen beziehungsweise müssen. Wir können ihnen entsprechende Lösungen anbieten.




