Dubrovnik nach dem Ende des Balkankriegs: Die Wände sind voller Einschusslöcher, jenseits der Grenze sind Bombenexplosionen zu hören, Frauen tratschen im Dorfladen und zwei Mädchen rennen über einen bewaldeten Hügel, ohne sich um die Minengefahr zu kümmern. Der Film «Cure - The Life of Another» ist eine bedrückende «Coming-of-Age-Geschichte» über das Erwachsenwerden zweier Mädchen, in einer von Frauen und ihren Verlusterfahrungen geprägten Nachkriegswelt.
«Cure, das bedeutet nicht etwa Heilung, sondern ist ein saloppes kroatisches Wort für Mädchen», erklärte Regisseurin Andrea Staka am Montag an der Pressekonferenz ihres zweiten Spielfilmes im Palazzo Morettini in Locarno.
«Ich war kurz nach dem Krieg in Dubrovnik. Es war wie eine Art Leerstelle dort, ein Limbus. Man spricht bis heute nicht viel über die Zeit kurz nach dem Krieg, weil sie so undefiniert und unklar war», sagte die Schweizer Regisseurin mit kroatischen Wurzeln zu ihrer Gefühlslage zum Schauplatz ihres Filmes.
Im Zentrum der Geschichte stehen die beiden 14-jährigen Mädchen Linda und Eta. Linda ist gerade mit ihrem Vater aus Zürich nach Kroatien zurückgekehrt.
Der Film zeichnet ein düsteres Bild von Dubrovnik: Nach dem Balkankrieg sind die Männer entweder tot oder haben mehrheitlich ein erotisches Verhältnis zur Gewalt entwickelt. Dieses teilt auch die junge Eta, die sich auf einen älteren Verehrer eingelassen hat und stolz erzählt, dieser habe im Krieg Menschen umgebracht.
In diesem schwierigen Umfeld versucht Linda, sich als Mensch zu finden und zu etablieren. Erst will sie nicht zurück in die Schweiz, am Ende unbedingt - ihre Identität schwankt zwischen diesen beiden Welten. Eta, ihre Freundin in Dubrovnik und gleichzeitig ihre stärkste Verbindung zu Kroatien, stösst Linda gleich zu Beginn des Films während eines kämpferischen Spiels von der Klippe und nimmt dann den Platz der vorlauten Freundin in deren Familie ein. Doch Eta verschwindet nicht, immer wieder erscheint sie und konfrontiert Linda mit sich selbst.
«Bei meinen Filmen geht es immer um die Frage der Identität», erklärte Staka. «Ich will jedes Mal etwas anderes machen, und dann lande ich doch wieder bei diesem Thema. In diesem Film geht es um die dunklere Seite der Selbstfindung. Manchmal musst du einen Teil von dir selbst töten, um dich selbst zu finden», konstatiert sie.
Die junge Schauspielerin Sylvie Marinković erklärte vor den Medien, sie und ihre Figur Linda seien sich charakterlich sehr ähnlich. «Wie Linda lebe auch ich in zwei Kulturen. Früher dachte ich noch, ich müsste mich entscheiden, aber heute weiss ich, dass das gar nicht nötig ist», so die schweizerisch-kroatische Doppelbürgerin.
Der Dreh sei nicht immer einfach gewesen. Sie sei zu Beginn erst 14 Jahre alt gewesen und habe gar nicht gewusst, was auf sie zukomme, meinte Marinković. «Es war manchmal schrecklich. Ich wusste nicht, wie ich mit der expliziten Sprache über Sexualität im Film umgehen soll, ich habe vieles nicht verstanden. Heute, zwei Jahre später, wäre das sicher einfacher für mich», so die junge Frau, die an der Pressekonferenz professionell geschminkt und in einem Spitzenkleid sehr erwachsen wirkte.
Eta-Darstellerin Lucia Radulović, die in Kroatien lebt und aufgewachsen ist, teilte die Eindrücke ihrer Filmpartnerin. Sie habe sich mit den Erwachsenenthemen nicht immer wohl gefühlt. Im Gegensatz zur Figur Eta, die sie im Film spiele, sei sie sehr schüchtern. «Was uns aber verbindet, ist, dass die Fragen rund um Sexualität in diesem Alter generell wichtig sind. Es geht darum, sich selbst und seine eigene Sexualität zu finden.»
Beide Mädchen sind im Film «Cure» in Debütrollen zu sehen. Sylvie Marinković wurde von Staka in der Schweiz gecastet, Lucia Radulović am Drehort in Dubrovnik. Der Film läuft am Filmfestival Locarno im internationalen Wettbewerb.
Produziert wurde «Cure» von der Produktionsfirma Okofilm Productions, die Staka und ihrem Ehemann Thomas Imbach gehört. Ko-Produziert von Deblokada mit Sitz in Sarajevo und Ziva Produkcija mit Sitz in Zagreb. Das Drehbuch schrieb Staka gemeinsam mit Thomas Imbach und Marie Kreutzer. Die Musik stammt von Milica Paranosić. Für den Schnitt war Tom La Belle verantwortlich.