Die «taz»-Kolumne «All cops are berufsunfähig» machte im letzten Sommer auch südlich des Rheins von sich reden. Sogar der deutsche Innenminister Horst Seehofer drohte der linken Tageszeitung mit einer Klage. Beim Deutschen Presserat sorgte das Satirestück für einen Beschwerderekord.
«Falls die Polizei abgeschafft wird, der Kapitalismus aber nicht: Was passiert dann mit all den Menschen, die heute bei der Polizei sind?», fragte Hengameh Yaghoobifarah in der heiss diskutierten Kolumne, welche die «taz» Mitte Juni 2020 veröffentlichte.
Die Schmährede auf die Polizei löste einen Sturm der Entrüstung aus. Gleich 382 Beschwerden landeten beim Deutschen Presserat auf dem Tisch. Kein anderes Textstück hat in der Geschichte des Gremiums je so viele Beschwerden auf sich gezogen. So steht das zumindest im Jahresbericht, der am Dienstag veröffentlicht wurde.
Genau genommen ist es ein Rekord im Rekord. Denn auch wegen der Medienschelte gegen die Corona-Berichterstattung hatte der Deutsche Presserat 2020 doppelt so viel zu tun wie in den letzten Jahren üblich.
Dass sich die «taz»-Kolumnistin als Arbeitsplatz für Polizisten nur die Müllhalde vorstellen konnte, bewertete der Presserat schliesslich als «ethisch zulässig». Ausschlaggebend sei gewesen, dass es sich «um ein reines Gedankenspiel handelte, das zudem auf reale Defizite bei der Polizei anspielte».
Die vielen, teilweise auch nur angekündigten Strafanzeigen gegen die Autorin kamen aus Sicht des Presserats impliziten Drohungen gleich. Ein Gebaren, das «geeignet war, die Meinungsfreiheit zu beschädigen».
Auch der oberste Polizeikommandant, Bundesinnenminister Horst Seehofer, hatte mächtig die Faust geballt, als der Entrüstungssturm im Juni 2020 losfegte. Um nur wenige Tage später die Hand zu reichen: Er liess die Klage dann doch lieber sein und zitierte stattdessen die «taz»-Chefredaktion in sein Ministerium, «um mit ihr den Artikel und seine Wirkung zu besprechen».