Weshalb machen Welsche anders Radio als Deutschschweizer? Das Sonohr Hörfestival sucht in seiner vierten Ausgabe Antworten auf diese Frage.
An der Werkschau der freien und privaten Hörproduktionen in Bern sind erstmals Beiträge aus der Romandie und auch aus dem Tessin vertreten, davon nehmen 20 Produktionen am diesjährigen Wettbewerb teil - darunter sind Hörspiele, Porträts, Features, Radionovelas, Soundcollagen und Radiokunst. Von «Männerträumen» über «Childhood Stories» bis «Zwischen Heugabel und Businessplan» sind komische, überraschende, melancholische und ernste Beiträge zu hören.
Anders als beim Film, wo es mit Untertiteln einfacher sei, Filme in anderen Sprachregionen zu zeigen, kenne man die gegenseitigen Hörproduktionen und Radiotraditionen in den unterschiedlichen Landesteilen nicht oder nur wenig, sagte Sonohr-Projektleiterin Giulia Meier dem Klein Report, meinte aber selbstbewusst: «Wir wollen zur Plattform für Hörproduktionen aus der ganzen Schweiz werden.»
Den Blick beziehungsweise das Ohr in die Romandie wirft auch Gastreferent Martin Heule. Er war von 1999 bis 2012 Romandie-Korrespondent für Radio DRS 2 in Lausanne. Seit 2012 ist er im Ruhestand und als freier Journalist für das Kulturprogramm Espace 2 von RTS tätig.
Heule wirft in seinem Eröffnungsvortrag die Frage auf: «Warum tönt welsches Radio anders?» Der Klein Report erkundigte sich im Vorfeld des Sonohr Hörfestivals, das am 14. Februar startet, bei ihm über kulturelle Unterschiede zwischen den Sprachgrenzen, unterschiedliche Radiotraditionen und das gegenseitige Interesse der Regionen aneinander.
«Hörspiele gibt es im Westschweizer Radio schon seit vielen Jahren nicht mehr», stellte Heule fest. «Das heisst aber nicht, dass die Fiktion völlig verschwunden ist. Ab und an kann man radiophone Experimente hören. Und dazu wird die Radioreportage in der Romandie wahrscheinlich mehr gepflegt als in der Deutschschweiz», sagte er dem Klein Report.
Aber auch abgesehen vom Stellenwert der Beitragsart machte der Journalist Kontraste zwischen dem Radioprogramm auf beiden Seiten des Röstigrabens aus: «Natürlich schon wegen des Klangs der Sprache. Auf Französisch lässt es sich besser parlieren, hofieren, charmieren und intrigieren. Deshalb ist der Wortanteil am Programm höher.»
Die Deutschschweizer hätten viel Bewunderung für den Charme, den Sinn für Formulierungen und das Tempo des französischen Radios übrig, aber würden es leider allzu oft wegen seiner scheinbaren Leichtigkeit als Plauderradio abtun, das der Sache nicht auf den Grund geht, bedauerte Heule. Dies führe zu einem beliebten Stereotyp über die Romands: «Ihr Welschen habt das `savoir vivre`, wir dafür das `savoir faire`.»
Am Sonohr Hörfestival schätzt Heule die Möglichkeit, Vertreter aller Landesteile auf ungezwungene Art und Weise zusammen zu bringen: «Das Sonohr ist ein schönes Beispiel dafür, dass es immer wieder Leute gibt, die, ohne dazu verdonnert zu werden, sich aus freien Stücken für den anderen Landesteil interessieren.»
Martin Heule hält seinen Vortrag am Sonohr Hörfestival am 14. Februar. Der anschliessende Wettbewerb findet vom 14. bis 16. Februar im Kino Kunstmuseum und im Progr Bern statt. Es werden der beste Non-Fiction-Beitrag, der beste Fiction-Beitrag und dieses Jahr zum ersten Mal die beste experimentelle Hörproduktion mit einem Preis und je 1500 Franken ausgezeichnet.
Die Fachjury besteht aus der freien Journalistin Theresa Beyer, Valerian Maly, Dozent an der Hochschule für Künste, und Päivi Stalder, Regisseurin und Dramaturgin bei Schweizer Radio und Fernsehen SRF.