Im Streit um Auftritte von Sängerinnen ohne Kopftuch im afghanischen Fernsehen haben sich offenbar die Reformer durchgesetzt. Das afghanische Fernsehen zeigte am Samstag eine Aufzeichnung eines Auftritts der Sängerin Ustad Mahwasch aus den 80er Jahren. «Die Moderaten haben sich durchgesetzt. Sie sind die Gewinner des Spiels», sagte ein Regierungsvertreter am Sonntag in Kabul. In Kreisen der Reformer hiess es, Sängerinnen ohne Kopftuch im Fernsehen entsprächen der neuen afghanischen Verfassung. Diese gebe Männern und Frauen gleiche Rechte. Präsident Hamid Karsai hatte am Samstag erklärt, es sollte der Regierung überlassen bleiben, darüber zu entscheiden, ob eine Frau singend im Fernsehen gezeigt werden könne. Stunden später strahlte Kabul TV die Aufzeichnung mit der Sängerin aus.
Der Streit hatte sich am vergangenen Wochenende an der Ausstrahlung alten Filmmaterials mit der Sängerin Parasto entzündet. Auf Druck konservativer Richter hatte das afghanische Fernsehen Auftritte von Sängerinnen im Programm erneut untersagt, nachdem ein entsprechendes Verbot nur wenige Tage zuvor aufgehoben worden war. Der stellvertretende Präsident des von den Konservativen dominierten Gerichtshofes, Fasl Ahmad Manaui, sagte dazu, das Verbot sei gerechtfertigt, weil nach der Verfassung alle Gesetze mit den islamischen Regeln konform sein müssten. Die Regeln des Islam liessen jedoch keine Sängerinnen zu. Das Ausstrahlungsverbot hatte bereits seit der Machtübernahme durch die Mudschaheddin 1992 gegolten. Als die Taliban die Mudschaheddin 1996 schliesslich vertrieben, führten sie das islamische Recht der Scharia ein und verboten das Fernsehen komplett. Siehe auch: Afghanistan: Erstmals seit 10 Jahren ein Frauengesicht am TV
Sonntag
18.01.2004