Jetzt hat auch Deutschland seine «Borer-Affäre»: Am Wochenende hatte das britische Blatt «Mail on Sunday» über eine Affäre des deutschen Bundeskanzlers Gerhard Schröder mit einer Fernsehjournalistin berichtet. Sofort zogen die deutschen Blätter am Montag nach. Schröder verurteilte - wie damals Borer - das «Herumschnüffeln in der Privatsphäre» durch die Journalisten: «Wie manche Medien mit der Privatsphäre von Politikern umgehen - mir kommt das Kotzen.» Jetzt krebsen die ersten deutschen Zeitungen reumütig zurück und drucken - siehe Affäre «Borer-Blick» - auf der Frontseite grosse Entschuldigungen ab. Als erstes bittet die «Westdeutsche Allgemeine Zeitung» den Kanzler um Verzeihung. Sie entschuldigte sich am Mittwoch auf der Titelseite für die Berichterstattung über die angebliche Ehekrise des Bundeskanzlers. Die Chefredaktion des Blattes schreibt, dass es sich um «einen bedauerlichen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht» der Betroffenen handle. «Wir nehmen diese Behauptung daher zurück.» Die Entschuldigung kommt einen Tag nachdem Regierungskreise und der Rechtsvertreter Schröders am Dienstag erklärten, die Behauptungen seien unwahr.
Wie bei der Borer-Affäre in der Schweiz ist nun auch in Deutschland eine Diskussion um «Darf man so über das Privatleben berichten?» entbrannt: Der Vorsitzende des Deutschen Journalistenverbandes (DJV), Rolf Lautenbach, argumentierte, Schröder sei als selbst ernannter «Medienkanzler» mit besonderen Massstäben zu messen: «Wenn das Verhalten der Person öffentliches Interesse berührt, so kann im Einzelfall darüber schon berichtet werden - mit der geziemenden Zurückhaltung.» Bei Schröder seinen jedoch besondere Massstäbe anzulegen: Wenn einer das Parteiprogramm quasi an der eigenen Person festmache, dann solle sich derjenige auch nicht wundern, «wenn Journalisten sich stärker mit dieser Person befassen».
Der Medienjurist Roger Mann wies dagegen darauf hin, dass das Presserecht jedem Politiker einen Anspruch auf Wahrung der Privatsphäre einräume, «so lange durch die privaten Details die Regierungsgeschäfte nicht berührt werden». Die Verbreitung von substanzlosen Gerüchten sei grundsätzlich rechtswidrig. Auf einen anderen Aspekt verwies Rechtsanwalt Götz von Fromberg, ein enger Freund Schröders: «Wer solche Gerüchte verbreitet, ohne sie zu überprüfen, sollte sich überlegen, was er damit anrichtet», sagte er der Illustrierten «Bunte». Schröder hatte rechtliche Schritte gegen jede Zeitung oder Zeitschrift angekündigt, die seine Persönlichkeitsrechte verletze. Bereits wurden gegen die «Südwestpresse» und die «Märkische Oderzeitung» - beide berichteten schon im Dezember über Schröders angebliche Ehekrise - je eine Einstweilige Verfügung erwirkt.
Mittwoch
08.01.2003