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Mittwoch
18.04.2012

Dem nebst Niklaus Meienberg wohl kontroversesten Schweizer Journalisten der letzten Jahrzehnte und ganz sicher dem aufsässigsten, Klaus Rozsa, will der renommierte Buchautor und Filmer Erich Schmid einen abendfüllenden Dokumentarfilm widmen. Die Filmförderung hat zur Entwicklung des Projekts bereits Geld gesprochen; ab nächstem Jahr soll gedreht werden und 2014 soll der Film in die Kinos kommen.

Schmid, der mit «Er nannte sich Surava» (1995) und «Meier 19» (2001) bereits zweimal den erfolgreichsten Dokumentarfilm des Jahres vorgelegt hatte und dessen Porträt über Max Bill, «Bill, das absolute Augenmass» (2008), in Deutschland in 52 Städten lief und heute noch international gespielt wird, faszinieren Menschen, die aus der Norm fallen, wie er im Gespräch mit dem Klein Report erzählte: «Surava war mutiger als die anderen in gefährlicher Zeit, während des Zweiten Weltkrieges; Detektivwachtmeister Meier 19 stand weder links noch rechts, sondern einzig auf der Seite der Wahrheit; selbst Max Bill war mit seinem Kunstschaffen längst nicht immer mehrheitsfähig. Und auch Rozsa mit seinem extremen Gerechtigkeitssinn ist so eine Figur.»

Doch Gelder der öffentlichen Hand für einen Film über den Mann, der während drei Jahrzehnten nicht nur ein rotes Tuch für das Establishment war, sondern vor allem auch für das Zürcher Polizeikorps?

Erich Schmid: «Was mich interessiert, ist, wie einer derart kämpferisch sein kann. Rozsa liess ja keinen Fettnapf aus und musste dafür auch unglaublich viel einstecken. Trotzdem hat er immer durchgehalten. Bis jetzt, wo er keinen Rückhalt durch seine Ämter mehr hat und man ihn endlich an die Kandare nehmen will.»

Rund zwei Dutzend Prozesse gegen Rozsa endeten alle mit Freispruch, kürzlich wurde er erstmals, wegen Beschimpfung eines Polizisten, verurteilt. Weitere Fälle wegen ähnlicher Bagatellen sind hängig, während den von Rozsa selbst vor vier Jahren gegen Polizisten angestrengten Klagen noch nicht einmal nachgegangen wurde. Trotzdem hat Erich Schmid keinerlei Berührungsängste mit der Tabufigur Rozsa und wird das Schweizer Fernsehen, die Filmstiftung Zürich und das Bundesamt für Kultur für die Finanzierung seines Filmes angehen.

Schmid zum Klein Report: «Wenn man Rozsas Geschichte kennt, wird sie versteh- und akzeptierbar: Er war Pressefotograf in heiklen Situationen, er war Gewerkschafter, er war Präsident der Journalistenvereinigung Comedia, er ist ein Linker und er ist ein Jude. Und er stand konstant im Fadenkreuz des Staatsschutzes und der Behörden.»

Unzählige Male, erzählt Schmid im Gespräch, sei Rozsas Fotogeschäft in Zürich mit Hakenkreuzen beschmiert gewesen, musste er Buttersäureanschläge erleben, wurden seine Autopneus durchstochen, anonyme Anrufe seien an der Tagesordnung gewesen, darunter erstaunlicherweise auch einige aus der Hauptwache der Zürcher Stadtpolizei. «Dabei vergisst man leicht, dass er von Beruf nicht nur Aktivist, sondern auch Fotograf ist, ein sehr guter sogar. Er fotografierte für die grossen Nachrichtenagenturen, und seit 12. April sind seine Bilder im Wiener Museum am Karlsplatz im Rahmen der Ausstellung ´Besetzt - Kampf um Freiräume seit den 70ern´ zu sehen.»

Die Nähe zu Wien kommt nicht von ungefähr: Nach seinem Rücktritt vom Präsidium des Comedia-Sektors Medienschaffende ist der gebürtige Ungar Rozsa, der in der Schweiz trotz mehreren Versuchen nie eingebürgert wurde, nach Ungarn zurückgewandert und lebt heute in Budapest - unter eben jenem Ministerpräsidenten Viktor Orbàn, der im restlichen Europa als extrem rechts gilt! (Für Gerichtsverhandlungen kehrt Rozsa jeweils freiwillig nach Zürich zurück!)

Schmid: «Rozsa sagt mir, was allein die Polizei anbelange, so könne er sich sogar unter diesem Regime freier bewegen als in der Schweiz. Man darf dabei nicht vergessen, dass er in Zürich besonders traumatische Erlebnisse hatte. Immer wieder ist er verhaftet und zusammengeschlagen worden. Einmal hatte ihn die Polizei mit drei Streifenwagen eingekesselt, ihn aus dem Auto gezerrt und bewusstlos geschlagen. Ein Fall, der aktenkundig ist und zur Verurteilung der fehlerhaften Polizisten geführt hat.»

Ein rotes Tuch wird Rozsa trotzdem oder gerade deshalb für viele für immer bleiben. Rozsa heisst auf Ungarisch übrigens nicht «rot» -  sondern «Rose»!