Das Gutachten von 3 Plus hält Schwächen bei der digitalen Messung und dem Audiomatching fest. Der Bericht zu den beiden Expertenberichten über das neue TV-Messsystem von Mediapulse wirft aber nicht nur diesbezüglich Fragen auf. Der Autor Rolf Müller, der frühere Leiter der Mediapulse-Schwesterfirma Publica Data AG, nennt in seinem Bericht, über den der Klein Report am Wochenende berichtete, eine Reihe von Problemen, die zum Teil auch von den Experten, die von Mediapulse mit der Überprüfung der Zahlen beauftragt wurden, festgehalten worden seien.
Eine Kritik betrifft die Werbefenster, bei denen das Audiomatching in der Schweiz eine besondere Herausforderung ist. «Die Tatsache, dass die Panelbetreiberin Kantar Media erst Wochen nach Messbeginn entdeckt hat, dass es Schweizer Werbefenstersender gibt, die einen relevanten Anteil an der TV-Nutzung in der Schweiz generieren, weist auf die Problematik hin», heisst es im Gutachten. In der Schweiz gebe es Werbefenster, Regional-TV-Sender mit Wiederholkonzept, identische Filme und Serien auf verschiedenen Sendern (die Krimiserie «NCIS» etwa auf vier Sendern). «Deshalb mussten in kürzester Zeit die Editing Rules ergänzt werden.» Die Autoren der Expertisen würden vermuten, dass weitere Anpassungen notwendig sein werden.
Aber auch bei der Zusammensetzung der Haushalte, die bei den Messungen mitmachen, ortet Müller Mängel. Das Panel sei angreifbar, weil die geografische Verteilung der Haushalte im TV-Panel (urban/rural bzw. städtisch/ländlich) nicht auswertbar sei, da die Kategorisierung verändert und noch nicht offengelegt worden sei. Ausserdem sei es «- bei der Panelgrösse von rund 2000 Haushalten - kaum möglich, das Panel sowohl hinsichtlich Sprachregionen (also den für die Werbewirtschaft eminent wichtigen TV-Märkten der Schweiz) wie auch hinsichtlich der 13 Konzessionsgebiete (für das publizistische Wirken der Regional-TVs wichtig) gleichzeitig und in selber Qualität korrekt gewichtet zu halten».
Weitere Kritik gilt der Nutzung über andere digitale Kanäle. «Mit der vorhandenen Technologie im Panel ist zurzeit keine Messung der Nutzung von Tablets und mobilen Geräten möglich, weshalb vermutlich ein recht grosser Anteil der Online-TV-Nutzung von vornherein fehlt», heisst es im Gutachten. Das PC-only Sub-Panel wiederum sei vergleichsweise klein (in der Deutschschweiz seien es in den ersten beiden Monaten 37 von 1 073 Haushalten gewesen), weshalb die Resultate «dementsprechend ein grosses Vertrauensintervall» hätten. Die Autoren der Expertise seien sich nicht sicher, ob die jetzige Messmethode die beste Lösung sei.
Zweifel gebe es auch an der repräsentativen Verteilung der Empfangsebenen im Panel. «Gemäss Recherchen diverser Parteien (u.a. 3 Plus) entsprechen die Empfangsebenen (Kabel digital, Kabel analog, Satellit, IPTV, HH mit PC/Laptop und Breitbandverbindung) im TV-Messpanel nicht den tatsächlichen Verhältnissen wie sie aus Marktdaten von Swisscom, Sunrise und dem Verband Swisscable hervorgehen», heisst es.
Möglichkeiten, um das Datenmaterial genauer aufzuarbeiten, gibt es laut Müllers Gutachten einige. Bei der TV-Nutzung via PC hätten die Autoren der beiden Expertisen darauf hingewiesen, dass ein reines Internet-Panel erstellt oder Operator Log File Data genutzt werden könnte, die anschliessend mit den anderen Daten zusammengeführt werden. «Solche Fusionsverfahren sind zwar aufwändig, aber auf diese Weise würde man eine weit stärkere Datenbasis für diesen Messbereich erhalten.»
Für die klare Audioerkennung der Fernsehprogramme auf verschiedenen Sendern könnte etwa ein Wasserzeichen genutzt werden. Ein Signal, das von den Messgeräten zweifelsfrei erkannt werden kann. Das Gutachten hält unter anderem auch fest, dass sozioökonomische Variablen im Panel fehlen würden. «Diese fehlen dann für die Rekrutierung von Haushalten für das TV-Panel. Ebenso fehlen sie für die Gewichtung der Haushalte im Panel.» So sei in der Expertise nicht erwähnt worden, dass «mindestens zu Beginn des neuen TV-Panels bei 18 Prozent der Personen keine Angaben im Merkmal Bildung vorhanden waren».