Ist ein Bundeshausjournalist käuflich, wenn er zu Weihnachten Pralinen von einem Nationalrat annimmt? Wie gross ist der Druck von unzufriedenen Grossinserenten auf die Redaktionsetagen? Fragen, die im Zentrum des 12. Berner Medientages vom Samstag im Kornhaus Bern standen und kontroverse Diskussionen zur Bedeutung von Ethik und Wahrhaftigkeit auslösten. Oder sollte der Hintern gleich nach dem Hals beginnen, damit «Journalisten das Rückgrat beim Schreiben nicht in die Quere kommt», formulierte Heinz Däpp in einem seiner satirischen Beiträge. Man müsse sich heute ethische journalistische Kodices auch leisten können, bemerkte Tagungsleiter Roland Jeanneret in seinen Begrüssungsworten. Die Problematik «Wes` Brot ich ess, des` Lied ich sing» habe sich mit der angespannten wirtschaftlichen Lage für viele Journalistinnen und Journalisten akzentuiert.
Die Chefs wollten Geschichten, die sich verkauften. Dieser Druck habe zugenommen, weil der Markt dies verlange, sagte «Facts»-Bundeshausjournalist Urs Zurlinden und warnte vor zuviel Eigenlob und Schönfärberei: «Wir müssen aufpassen, dass wir nicht zu weisse Westen herumtragen.» Denn Journalisten seien manchmal «cheibe unethisch». Peter Studer, Präsident des Presserates, beobachtet mit einiger Sorge den Umstand, dass die ausschliessliche Doktrin des «Return of Investment», wie sie in den USA im Medienbereich praktiziert werde, langsam auch auf Europa übergreife. Die Medienqualität werde indes nicht nur von der ökonomischen sondern ebenso von der
publizistischen Leistung massgeblich beeinflusst. Um eine berechenbare Medienqualitätsarbeit anzustreben, brauche es eine Berufs- und eine Unternehmensethik. Verschiedene Diskussionsteilnehmer betonten zudem die Bedeutung einer besseren Ausbildung sowie der ethischen Vorbildfunktion der obersten Vorgesetzten für eine verbesserte Glaubwürdigkeit der Journalistenzunft.
Sonntag
24.11.2002