Die Vermarkter sehen zwar Perspektiven für neue Sender auf dem Schweizer TV-Markt, die Skepsis ist aber gross. Einig sind sich Goldbach Media-CEO Alexander Duphorn, Romi Hofer von der Publisuisse und Omnicom-CEO Manfred Strobl in einem: Ein bis zwei Prozent Marktanteil sind Pflicht, um sich behaupten zu können. Bei der Ausrichtung sehen sie vor allem für Nischenprodukte Chancen.
«Der Vergleich mit dem Ausland zeigt, dass auch kleinere Nischen- und Spartensender ihre Berechtigung haben und sich durchsetzen können», sagte Manfred Strobl gegenüber dem Klein Report. «Auch wenn man es nicht mehr hören kann, aber `Content is King` stimmt immer noch. Sobald ein Sender in einer Zielgruppe eine entsprechende Relevanz hat, wird er auch für die Werbetreibenden relevant. Der TV-Markt ist ein Verdrängungsmarkt. Einfach einen Sender eröffnen und warten, dass der Zuschauer einschaltet, ist eher schwierig.»
Der Marktanteil, den ein Spartensender erreichen müsse, um für Werbetreibende interessant zu werden, hänge vom Zielpublikum ab. «Grundsätzlich gilt jedoch für einen Sender, der sich allein vermarktet, dass vor allem die grossen und internationalen Werbekunden ab 1 bis 2 Prozent Marktanteil aufmerksam werden.»
Etwas weniger hoch schätzt Romi Hofer den nötigen Marktanteil ein. «Wir schätzen, dass ein `klassischer` Sender mindestens 1 Prozent Marktanteil benötigt, für Spartenprogramme mit spezifischen Zielgruppen genügt wahrscheinlich weniger», sagte sie dem Klein Report.
Zudem könne der Marktanteil noch relativiert werden: «Wenn beispielsweise Synergien im Distributionsbereich genutzt oder Inhalte auf verschiedenen Plattformen verwendet werden, reicht auf einem Sender sicherlich auch ein tieferer Marktanteil, um sich behaupten zu können», meinte sie.
Irgendwo dazwischen bewegt sich Alexander Duphorn. «Gemessen an der werberelevanten Zielgruppe der 15- bis 49-Jährigen sollte das mittelfristige Ziel eines jeden Senders bestimmt sein, bei einem Marktanteil über 1 Prozent zu liegen», sagte er gegenüber dem Klein Report.
Duphorn verweist wie Strobl auf die Qualität des Senders, die für den Erfolg ausschlaggebend sei. «Neben der absoluten Höhe des Marktanteils wird es vor allem auch um die Qualität und Attraktivität der Zielgruppe gehen. So müssen die Sender anhand ihrer Kampagnen zeigen, dass sie die angestrebte Zielgruppe erreichen und somit zum Wert der Kampagne beitragen», meinte er.
«In der heutigen neuen Medienwelt ist es notwendig, Geschäftsmodelle differenzierter aufzustellen. Individualität und qualitativ hochwertige Zielgruppen und Programmumfelder sind dabei immer wichtige Kriterien, um einen USP zu schaffen», führt Duphorn aus.
Ein CEO einer grösseren Agentur, der nicht namentlich erwähnt werden will, konkretisiert gegenüber dem Klein Report: «Man sollte eine bestimmte Zielgruppenbandbreite ansprechen. Zum Beispiel ist das Thema Männer bei DMAX und Frauen bei Sixx sicherlich breit genug aufgestellt. Ein Kanal rund um das Tauchen oder Angeln oder selbst rund um das Thema Auto halte ich für dauerhaft nicht überlebensfähig. Man muss schon sehr genau überlegen, welche Senderpositionierung noch Platz findet.»
Ein Fragezeichen setzt Manfred Strobl. «Ein Sender mit kleinem Marktanteil, aber sehr interessanter Nische kann sehr interessant sein, aber nur für eine gewisse Anzahl von Kampagnen. Die Grösse der Schweiz ist da oft ein natürliches Hindernis», sagte er. «Es werden einfach nicht so viele Nischenprodukte beworben, als dass ein Sender davon leben könnte.» Immer wichtiger werde, wie flexibel und offen der Sender für die Werbeindustrie sei, etwa in Bezug auf Branded Content.
Auf die Frage, ob sie damit rechnen, dass die neuen Sender am Markt überleben werden, geben sich Duphorn, Strobl und Hofer zurückhaltend. «Überleben werden nur diejenigen, die die Bedürfnisse der Mediennutzer und der Werbetreibenden abdecken können», meinte Hofer.
«Neue Sender brauchen auch eine gewisse Anlaufzeit», sagte Alexander Duphorn. «Wir haben schon mit einer Reihe neuer Sender gezeigt, dass es möglich ist, sich am Markt durchzusetzen, und sind selbst gespannt, wie die neuen Sender am Markt angenommen werden.»
Noch zurückhaltender ist Manfred Strobl. «Hierzu möchte ich keinen Kommentar abgeben», sagte er, fügte aber doch noch an: «Grundsätzlich gilt: Was im linearen Betrieb nicht funktioniert, kann unter bestimmten Voraussetzungen online funktionieren. Wir wissen um mehr und mehr Konvergenz und online-basierter TV-Nutzung insbesondere bei jungen Zielgruppen. Das sind Chancen für eine neue Distribution - im Übrigen mit neuartigen Werbemöglichkeiten und damit Income.»
Der Agentur-CEO, der nicht genannt werden will, sieht weniger rosige Perspektiven. «Tatsächlich glaube ich, dass es eine Bereinigung geben wird, da eine dauerhafte finanzielle Unterdeckung nicht verkraftbar ist», sagte er. «Meiner Ansicht nach kann nur ein Sender überleben, der einen vernünftigen Marktanteil - um die 2 Prozent - erreicht und zusätzlich noch durch eine funktionierende Vermarktergrösse (Bündelung von Einzelsendern) am Werbemarkt vertreten wird, die mindestens 20 Prozent des Marktes unter sich vereint.»