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13:53

Samstag
18.06.2016

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Olivier_Girard

Über 40 000 Einreichungen muss die Jury dieses Jahr am Cannes Lions Festival durchstöbern, so viele wie noch nie zuvor. Viel Arbeit also für die 387 Jurymitglieder, worunter auch zwei Vertreter von Schweizer Agenturen zu finden sind: Olivier Girard, Gründer und Creative Director von M&C Saatchi, sowie Jason Romeyko, Global Executive Director von Saatchi&Saatchi Geneva, sitzen in der Jury der Kategorien «Direct Lions» beziehungsweise «Health & Wellness Lions».

Olivier Girard war bereits 2006 Mitglied der Cannes-Jury und attestiert der Branche ein fehlendes Langzeitgedächtnis. Der Kreativexperte, der auch selber mehrfach ausgezeichnet wurde, spricht deshalb im Interview mit Vera Tschan für den Klein Report auch über die Veränderungen, welche die Kreativbranche seither durchgemacht hat, und die Arbeit als Jurymitglied in Cannes.

Sie waren im Jahr 2006 das erste Mal in der Jury in Cannes. Wie hat sich die Branche in den letzten zehn Jahren entwickelt?
Girard: «Alles hat sich verändert! Wie wir alle wissen, hat sich unser Alltag massiv durch die Digitalisierung gewandelt: Gesellschaftlich, menschlich, wir konsumieren unsere Tablets und Smartphones ohne Mässigung. Zwangsläufig hat sich auch unsere Arbeit in der Kommunikationsbranche verändert.»

Vor zehn Jahren waren Sie Jurymitglied im Bereich Print/Press...
Girard: «Wir hatten grosse Aktenordner vor uns. Wir blätterten durch die Seiten, um die grossartigen Layouts zu bewundern. Die Titelzeile wurde sorgfältig erarbeitet und man merkte, dass die Copywriters viel Zeit damit verbrachten, jedes Wort abzuwägen.»

Und heute?
Olivier Girard: «Zehn Jahre später ähneln sich viele Dinge, alles passiert viel schneller und wir `fressen` Werbung 100 Mal öfters, dies passiert manchmal sogar unbewusst. Auch die Anzahl der Kategorien hat sich in Cannes verändert. Meiner Meinung nach gibt es nun zu viele. Dies zeigt sich auch, wenn eine gleiche Anmeldung in zehn verschiedenen Kategorien zu finden ist und dort auch gewinnt. Ich sehe da keinen Nutzen, ausser dem eigenen Ego zu schmeicheln. Aber ich möchte auch sagen, dass sich nichts verändert hat! Dass eine Idee eine gute Idee bleibt, egal ob 1970 oder 2016.»

Was macht Sie als Jurymitglied aus, wofür stehen Sie persönlich?
Girard: «Eben dafür, die besten und nur die besten Ideen auszuzeichnen. Wie sie produziert werden, ob sie neu und strategisch durchdacht sind, ob sie eine Änderung im Verhalten der Leute hervorrufen, ob die Technologie dem Menschen dient und nicht umgekehrt. Das alles, ohne sich von dem Markennamen oder dem Star in der Werbung beeinflussen zu lassen.»

Hängt die Jury manchmal zu sehr an bekannten Namen und Grössen?
Girard: «Oft gewinnen Marken, welche im darauffolgenden Jahr wieder mit derselben Idee gewinnen. Es liegt an der Jury, dies zu stoppen. Damals gewann eine super Idee, heute bringt sie jedoch nichts Neues und auch wenn es eine gute Idee bleibt, muss man sie nicht nochmals auszeichnen. Ich arbeite bereits seit 27 Jahren in dieser Branche und manchmal kommt es mir so vor, als ob wir unter einem Kurzzeitgedächtnis leiden.»