Es ist eine brisante Story. Wie Recherchen des «Beobachters» zeigen, mussten in der Nachkriegszeit hunderte Mädchen für den Zürcher Industriellen Emil Bührle arbeiten.
Es waren Fürsorgeämter, welche die Jugendlichen dazu zwangen, in den Zeiten des wieder anbrechenden Wirtschaftswunders in einer Fabrik des umstrittenen Industriellen tätig zu sein.
Der Bericht des «Beobachters» kommt zu einer unpassenden Zeit. Bald soll die Kunstsammlung von Emil Bührle in neuen Komplex des Kunsthaus Zürich einen Ehrenplatz bekommen.
Am 9. Oktober nimmt das erweiterte Kunsthaus Zürich den Betrieb auf. Für die Kunst stehen 5’000 Quadratmeter zur Verfügung. Im 206 Millionen Franken teuren Anbau des Stararchitekten David Chipperfield werden auch rund 170 Werke aus der Sammlung des umstrittenen Zürcher Industriellen Emil Bührle zu sehen sein.
Von der «Raubkunst» des Emil Bührle wird schon länger von verschiedenen Kreisen abschätzig gesprochen. Emil Bührle war Waffenfabrikant, Kunstsammler und Multimillionär. Das meiste Geld machte er vor allem mit Waffenverkäufen an die Nazis und die Alliierten. Und jetzt noch die Zwangsarbeit?
Wie der «Beobachter» in seiner aktuellen Ausgabe schreibt, besass Waffenfabrikant und Kunstsammler Bührle in Dietfurt SG ab 1941 eine Spinnerei mit Mädchenheim. Dort mussten Hunderte Mädchen gegen ihren Willen arbeiten. Die jungen Frauen galten als «schwer erziehbar». Sie waren zwischen 16 und 20 Jahre alt und nach damaligem Recht minderjährig. Emil Bührle, der damals reichste Schweizer, maximierte mit ihrer Zwangsarbeit seinen Gewinn.
Gemäss dem Historiker Thomas Huonker liess die Bührle-Spinnerei die Mädchen für sich arbeiten, «obwohl ein Arbeitszwang zugunsten einer Privatfirma in der Schweiz damals verboten war». Vorsichtige Schätzungen reden von mindestens 300 Zwangsarbeiterinnen, die im Heim noch bis 1968 untergebracht waren, darunter etliche Mädchen aus der Stadt Zürich. Eine von ihnen macht heute bekannt, dass sie damals «50 Franken für 16 Monate Arbeit» bekommen hat.
Auch das Rechercheteam der Tamedia hat die Story mit den Mädchen aufgenommen und die Stadt Zürich mit den Vorwürfen konfrontiert. «Es ist davon auszugehen, dass dieses dunkle Kapitel unserer Geschichte noch nicht abschliessend aufgearbeitet ist», antwortete die Stadt. Man werde prüfen, ob die Rolle der Stadt im nun bekannt gewordenen neuen Sachverhalt «vertieft zu untersuchen wäre», lässt sich Lukas Wigger, Sprecher des Präsidialdepartements, im «Tages-Anzeiger» zitieren.
Anlässlich der Eröffnung des Erweiterungsbaus liessen Stadt und Kanton Zürich die Geschichte Bührles durch Historiker der Universität Zürich aufarbeiten. Nach zwei Jahren wurde die über 200-seitige Studie mit dem Titel «Kriegsgeschäfte, Kapital und Kunsthaus» öffentlich gemacht. Zur Kontextualisierung der Kunstsammlung Bührle werde es im Erweiterungsbau eine Dokumentation in einem 90 Quadratmeter grossen Raum geben.
Zur neuen Enthüllung meldet die Stadt, dass sie vom Kunsthaus erwartet, «dass es im Erweiterungsbau transparent über die historischen Zusammenhänge rund um die Sammlung und den Sammler Bührle informiere und dabei auch neue Forschungsergebnisse aufnehme».
Dem Kunsthaus Zürich war die Zwangsarbeit in der Bührle-Spinnerei in Dietfurt bisher nicht bekannt, wie Sprecher Björn Quellenberg sich in den Medien zitieren lässt.
Weniger zimperlich ging das Kunsthaus mit einem anderen Kunstwerk aus dem Dunstkreis der Illegalität um. Als der Sprayer Harald Naegeli während dem Corona-Lockdown hinter das acht Tonnen schwere «Höllentor» von Auguste Rodin einen nur mit feinsten Strichen angedeuteten «Totentanz» zeichnete, wurde die Wand vom Kunsthaus umgehend wieder gereinigt. Obwohl Naegeli damit eine der intelligentesten Installationen geschaffen hat, die das Zürcher Kunsthaus bisher hätte zeigen dürfen.