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Dienstag
19.03.2019

Medien / Publizistik

Wie im Kriegsgebiet: Beim Triemli um 1974

Wie im Kriegsgebiet: Beim Triemli um 1974

Die Edition Bildhalle bringt zum ersten Mal mit «Willy Spiller – Zürich 1967-1976» ein Fotobuch auf den Markt. Gleichzeitig mit der Buchvernissage am 28. März wird in der Bildhalle eine Doppelausstellung mit Fotografien von Willy Spiller und Fred Mayer eröffnet.

Im Gespräch mit dem Klein Report erläutert Mirjam Cavegn, Galeristin der Bildhalle, die Inhalte der Doppelausstellung, die die Stadt Zürich und ihre Bewohner in den 60er- und 70er-Jahren zeigt. «Auf der einen Seite steht Willy Spiller mit seiner wilden, schrägen und zugleich liebevollen Strassenfotografie, auf der anderen Seite Fred Mayers sorgfältig komponierte Porträts von Menschen durch alle Schichten und Berufe, die konzeptuell an August Sander und Irving Penn denken lassen.»

Welche Bilder der Ausstellung fesseln Cavegn besonders? «Bei Fred Mayer faszinieren mich der Stolz und das Selbstbewusstsein der Vertreter der verschiedensten Berufsgattungen - vom Gepäckträger, Glaser oder Konfiseur bis hin zum Fischverkäufer. Die Menschen fühlen sich wohl vor der wertschätzenden Kamera von Mayer.»

Die Bilder von Spiller zeigten ein Zürich, das es so nicht mehr gibt. «Die Gegensätze in der Stadt zwischen Biederkeit und Revolte, zwischen Armut und Wohlstand erscheinen ausgeprägter als heute. Das Bild der beiden Buben vor einem sozialen Wohnungsbau beim Triemli aus dem Jahr 1974 erinnert an ein Kriegsgebiet. Wie die tamilischen Flüchtlinge am Flughafen Kloten abweisend beäugt werden, lässt erahnen, welch frostiger Wind allem Fremden damals entgegen blies.»

Wenn sie heute mit den 60er- und 70er-Jahren vergleiche, falle auf, dass die Gegensätze damals stärker gewesen seien. «Teilweise fast idyllisch, dörflich, bieder, hinterwäldlerisch. Dann auf der anderen Seite Sex und Rock'n Roll. Heute erscheint mir alles viel geglätteter. Es regiert das Geschäft, das Geld, der Kommerz.» Die Bilder von Spiller zeigten ein Zürich, das noch viel mehr Lokalkolorit gehabt habe. Als wäre Zürich damals «schweizerischer» gewesen, wie Cavegn anfügt. 

Ursprünglich war die Ausstellungseröffnung auf den 7. März geplant, sie musste aber aufgrund einer plötzlichen Erkrankung Spillers um drei Wochen verschoben werden. Da der Künstler alle Bilder selbst druckt, sei es schlicht unmöglich gewesen, das ursprüngliche Eröffnungsdatum einzuhalten, so Mirjam Cavegn. Sie freue sich, mit Spiller an der Vernissage auf seine vollständige Genesung anzustossen.