An den 40. Solothurner Literaturtagen vom 12. Mai befasst sich ein «Zukunftsatelier» mit der Perspektive der Urheberinnen und Urheber im Netz. Als Gast ist Philip Kübler eingeladen, Direktor von ProLitteris und Experte für Medien- und Urheberrecht. Für den Klein Report hat Philip Kübler seine vorbereitenden Überlegungen zusammengestellt.
Das Wort ist eine besonders stark genutzte Ressource im Internet. Auch die visuellen Zugpferde des Netzes – Bilder und Audiovision – werden mit Text ergänzt und erläutert. Noch immer stammen die meisten Texte von Menschen: Wir haben Autorinnen, Autoren, Übersetzer, Redaktoren und Illustratoren vor uns.
Obwohl sie notwendig und beliebt sind, ist es kein Leichtes, Texte im Internet zu vermarkten. Wir erleben eine eigentümliche Ent-Ökonomisierung, als würde die schriftsprachliche Kommunikation wieder in einen Urzustand des Persönlichen rücken.
Eine bewährte Ausnahme sind die traditionellen Gattungen: Literatur (Buch), Journalismus (Zeitung/Zeitschrift/Radio/TV) und Wissenschaftspublizistik (Journale). Zuweilen sinken die Preise und Mengen, es schwankt das Geschäftsmodell und es lockt der kostenlose Zugang (Open Access). Aber im Kern funktioniert es noch.
Für gewöhnliche Texte wird das Internet aber zunehmend zur gläsernen Mauer. Diese Ent-Ökonomisierung hat vier Gründe: Erstens die Konvergenz, ein noch immer schlagendes Phänomen des Computerzeitalters. Sie sorgt dafür, dass Textgattungen verschmelzen und verblassen. Vieles kommt wie Journalismus daher, ist aber interessengeleitet, oder es vermittelt bloss und produziert nicht.
Der zweite Grund für die Ent-Ökonomisierung ist die zunehmende Publikums- und PR-Kommunikation: Liebhaber, Laien, Betroffene und andere Autoren steuern selber massenhafte und manchmal substanzielle Inhalte bei – eine Erdung und Entprofessionalisierung des Schreibens zugleich.
Dritter Grund ist der Hyperwettbewerb: Der Wert von Wort und Text wird in den Marktkräften zerrieben, weil er entweder mit einer Dienstleistung gebündelt (E-Commerce, Telekom et cetera) oder als blosser Rohstoff zerrieben wird (User-generatet- und User-uploaded-Content; Kuratieren und Aggregieren von Inhalten). Die Aufmerksamkeit der Lesenden ist die neue Knappheit.
Hinzu kommen die noch immer begrenzten Zahlungsmöglichkeiten (Micropayment) und eine Gewohnheit des Nichtbezahlens; das beginnt sich zu ändern, wird aber wie für musikalische und audiovisuelle Werke zu bloss geringen Entschädigungen für Textautorinnen und Künstler führen.
Der vierte Grund für die Ent-Ökonomisierung von Textwerken im Internet sind schliesslich die rechtlich-praktischen Schwierigkeiten bei der Rechtsdurchsetzung. Gerichtsverfahren lohnen sich für kleine Beträge nicht und sie sind der Harmonie in der Kulturlandschaft abträglich.
Bei der Rechtsdurchsetzung kommt erschwerend hinzu, dass das Urheberrecht im Internet oftmals gar nicht betroffen ist: Es wird bloss verlinkt oder harmlos ausgeschnitten (Suchmaschinen, Snippets), die Verantwortung wird zurückgewiesen (soziale Netzwerke) oder es kommt eine Ausnahme zum Tragen (Zitat-, Berichterstattungs- oder Verzeichnisrecht. Solche Grenzen und Schranken des Urheberrechts werden zurzeit in den Gesetzesentwürfen in Europa, Deutschland und der Schweiz erweitert.
In dieser schwierigen Lage befinden sich die Texte im Internet und man fragt sich: Welche Modelle und Chancen gibt es noch?
Die grossen Medientitel zeigen zurzeit, wie die Zeit nach der Paywall aussehen könnte. Dazu gehören Kauf- oder Tauschgeschäfte, Dreiecksbeziehungen mit Werbepartnern und Lizenzketten hin zu Plattformen. Es ist nicht ausgeschlossen, über klare Verträge und eine solide Governance sicherzustellen, dass die verlegerische und redaktionelle Unabhängigkeit und die Vielfalt gewährleistet bleiben.
Neben dem Content sollte auch der Service ins Auge gefasst werden, denn niemand kann Inhalte so gezielt auswerten und aufwerten wie der Publizierende selber. Datenbanken und Plattformen oder Portale sollten von den Content-Inhabern möglichst branchenweit bewirtschaftet werden, sonst kommen andere. Komplementiert mit technischen Schutzmassnahmen und Software stehen neue Publikationsformen zur Verfügung, die aus Medienunternehmen echte Dienstleister und Vertrauenspartner der Unternehmen und Konsumenten machen.
Die Autoren und Verlage kommen nicht aus ohne Urheberrecht, Vertragsmodelle und Rechtsansprüche. Und das Lobbying ist auch in der Schweiz längst ins Gefangenendilemma gerutscht: Wer nicht mitmacht, bleibt auf der Strecke.
Schliesslich ist Innovation gefragt: In der Bündelung von Inhalten auf Plattformen und in der Verwendung aggregierter Nutzungsdaten liegt für Publizisten Gold. Es mag Ausdauer brauchen, bis sich diese Werte realisieren lassen. Die Launen der Leserinnen und Leser und der Datenschutz bilden zusätzliche Hürden, die einer plumpen Verwertung von Kundendaten im Weg stehen. Im besten Fall aber locken Kundenbeziehungen, welche die flüchtig-opportunistischen Like-Dislike-Messungen der sogenannt sozialen Medien in den Schatten stellen.
Auf dem Spiel stehen nicht nur die wirtschaftlichen Interessen einzelner Autoren, Übersetzerinnen und von Verlagen, sondern auch das öffentliche Interesse an einer unabhängigen und vielfältigen Publizistik.