Via Intranet sind die SRF-Mitarbeitenden vor Kurzem dazu aufgefordert worden, beim «Ehe für alle»-Referendum die Finger vom «Like»-Button zu lassen. Anders war die Windrichtung bei der «No Billag»-Abstimmung. TV-Chef Tristan Brenn nimmt Stellung.
In einer internen Direktive teilte Radio SRF seinen Mitarbeitenden letzte Woche unmissverständlich mit, dass «Likes» zum «Ehe für alle»-Referendum aus den privaten Social-Media-Profilen entfernt werden müssen. Manche Mitarbeitenden empfanden solche strikten Gebrauchsanweisungen für Twitter & Co als Eingriff ins Privatleben, wie der Klein Report berichtete.
Man erinnert sich: Grad umgekehrt war die Stossrichtung 2018 bei der «No Billag»-Initiative. Damals waren die Mitarbeitenden nach Informationen des Klein Reports von der SRF-Spitze sogar dazu aufgefordert worden, sich in ihrem Umfeld und auf Social Media zu äussern. Und für den Abstimmungskampf zu spenden.
Wird da nicht mit unterschiedlichen Ellen gemessen? «Gemäss den publizistischen Leitlinien gilt bei allen Abstimmungsvorlagen eine erhöhte Sorgfaltspflicht. SRF-Mitarbeitende dürfen also keine Abstimmungsempfehlung abgeben und sich nicht an Abstimmungskampagnen beteiligen», sagt Tristan Brenn, Chefredaktor Video bei SRF, auf Anfrage des Klein Reports.
So sei es beispielsweise nicht erlaubt, Social-Media-Buttons zu verwenden, die sowohl bei «No Billag» wie bei «Ehe für Alle» Teil des Abstimmungskampfes sind. «Diese Regeln galten auch bei ‚No Billag‘. Damals war es den Mitarbeitenden dagegen explizit erlaubt, ihre Arbeit bei SRF zu erklären und nachweislich falsche Fakten zu korrigieren.»
Ebenfalls ein klar politisches Statement hat SRF im vergangenen Jahr quer durchs Programm platziert: Mit der Kampagne «Mission B» hat der Sender für mehr Biodiversität geworben.
Es fragt sich, ob das zulässig gewesen wäre, wenn man die publizistischen Leitlinien so eng auslegt, wie die SRF-Spitze dies aktuell im Fall «Ehe für alle» tut.
Tristan Brenn sagt dazu, dass es für SRF-Mitarbeitende «natürlich möglich» sei, sich zum gesellschaftlich relevanten Thema der Rechte von LGBTQ+ zu äussern. «Auch die Teilnahme beispielsweise an der Gay Pride oder der Aufruf, am Event mitzumachen, sind kein Problem.»
Ebenso sei es erlaubt, sich gegen den Verlust der Biodiversität einzusetzen, «ein Thema, dessen Relevanz national und international anerkannt ist».
Etwas anders sehe es bei der «Ehe für alle» aus, und zwar einzig, weil wir in der Schweiz demnächst über die Vorlage abstimmen. «Dadurch kommt die in den publizistischen Leitlinien festgeschriebene erhöhte Sorgfaltspflicht zum Tragen: SRF-Mitarbeitende dürfen nicht öffentlich zu einer Abstimmungsvorlage Stellung nehmen», so Brenn.
Allerdings steht in ebendiesen publizistischen Leitlinien im Abschnitt zu den «privaten Aktivitäten im Internet» auch, dass «einseitig dargestellte politische Inhalte grundsätzlich nicht geliked oder geteilt werden sollten».
Das tönt allenfalls wie eine nachdrückliche Empfehlung. Aber sicher nicht wie ein kategorisches Verbot, das keine Ausnahme erlaubt.
Und noch auf eine zweite Stelle in den publizistischen Richtlinien können sich SRF-Mitarbeiter abstützen, die nicht daran denken, ihre «Likes» zu löschen.
Ebenfalls im Abschnitt zum privaten Gebrauch von Facebook & Co. steht, dass die SRF-Mitarbeitenden von Fall zu Fall abwägen müssten, was noch als legitimer «Ausdruck der eigenen Persönlichkeit» zu werten sei und wo die «werberische Tätigkeit» beginne.
Gerade bei dem «Ehe für alle»-Referendum, das wie keine zweite Vorlage der letzten Jahre die persönliche Identität betrifft, ist diese Trennlinie kaum noch zu ziehen.
«Ausdruck der eigenen Persönlichkeit oder der Einsatz für Grundrechte sind natürlich erlaubt», sagt der Chefredaktor Video dazu gegenüber dem Klein Report. Und wiederholt, dass es hier einzig und allein um die Frage der erhöhten Sorgfaltspflicht vor Abstimmungen gehe.
«Ich habe grosses Verständnis dafür, dass insbesondere persönlich betroffene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter diese Regelung als Eingriff in die eigene Meinungsfreiheit werten», sagt Tristan Brenn. «Das ist aber der Preis, den wir als unabhängige, von der Öffentlichkeit finanzierte Journalistinnen und Journalisten bezahlen.»