Weil Michèle Binswanger mit der «Corona-Keule» gegen die Frauen-Demo geschwungen habe, wurde sie vom «Lamm» mit Vorwürfen eingedeckt. Nun hat die Tamedia-Journalistin vor dem Presserat einen Teilerfolg gegen das Online-Magazin erzielt.
Am 13. März 2020 publizierte das «Lamm» einen Artikel unter dem Titel «Binswanger und die Frauendemo: Opportunismus über Solidarität», gezeichnet von Miriam Suter und Natalia Widla.
Der Text reagierte auf einen Kommentar, den Michèle Binswanger zuvor im «Tages Anzeiger» veröffentlicht hatte. Dieser wiederum hatte sich kritisch mit der Frauen-Demo auseinandergesetzt, die trotz Corona-Restriktionen durchgeführt worden war. Weil sich auch unbeteiligte Dritte anstecken könnten, hatte Binswanger die Durchführung als unsolidarisch und «revolutionär dumm» kritisiert.
Da sei zwar etwas Wahres dran, gestand der «Lamm»-Artikel. Das sei dann aber auch alles, was stimme. Der Artikel warf Binswanger vor, sie infantilisiere ein in Alter, Ausrichtung und Herkunft heterogenes Publikum. Und sie argumentiere wie ein «Weltwoche-Journalist» und betreibe einen opportunistischen, bevormundenden Journalismus, der die Meinung einer privilegierten Person als «hegemonial» zementieren wolle.
Wie opportunistisch die «Corona-Keule» sei, lasse sich im Falle Binswanger leicht herleiten: Sie schreibe «generell mit Vorliebe» gegen Frauen an, die sich gegen Ungerechtigkeit einsetzten. Es gebe «unzählige Artikel», in denen Binswanger sich bei der Zuger Sexaffäre gegen das mutmassliche Opfer Jolanda Spiess-Hegglin gestellt habe.
«Dass sich eine Journalistin, die über Jahre hinweg eine regelrechte Hetzkampagne gegen ein mutmassliches Opfer von sexualisierter Gewalt führte, berechtigt fühlt, den Aufruf zur Frauen-Demo trotz Viren als ‚revolutionär dumm‘ zu bezeichnen, ist an Unsolidarität kaum zu überbieten.»
Die Rede von «unzähligen Artikeln» sei falsch, beschwerte sich Michèle Binswanger nach der Publikation beim Presserat. Tatsächlich habe sie drei Artikel geschrieben. Und diese nicht «gegen» Spiess-Hegglin.
Dass sie mit Vorliebe gegen Frauen anschreibe, die sich gegen Ungerechtigkeit wehrten, sei falsch und von dem Online-Magazin nicht belegt. Vor dem Hintergrund ihrer Reputation als feministische Autorin wiege der Vorwurf, sie schreibe generell gegen Frauen, schwer. Sie hätte dazu angehört werden müssen.
Die Wahrheitspflicht hat das Online-Magazin verletzt, so der Presserat. Immerhin hat das «Lamm» «unzählige Artikeln» drei Tage nach Publikation selber zu «mehrere Artikel» zurückbuchstabiert, begleitete von einer Entschuldigung.
Der zweite Punkt bleibt in der Schwebe. Das «Lamm» beharrte gegenüber dem Presserat auf der Aussage, Binswanger schreibe gegen engagierte Frauen an. Allerdings wiederum ohne Beleg. «Bei dieser Aktenlage ist es dem Presserat nicht möglich, eine Beurteilung vorzunehmen.»
Hätte das «Lamm» Michèle Binswanger anhören müssen? Der Presserat findet nein. Schwer ist für ihn ein Vorwurf dann, wenn es um Illegales geht. «Das ist im vorliegenden Fall nach Auffassung des Presserates knapp nicht gegeben.»