Auch Journalisten werden pensioniert. Aber wie damit umgehen?
«Als ich im Februar 2015 realisierte, dass ich im Juni meine erste AHV-Rente beziehen würde, nutzte ich das für eine Standortbestimmung.» Das sagt Claude Weill, langjähriger Redaktor und freiberuflicher Journalist, und wie es zu seinem Buch «In Glücksmomenten bin ich weder jung noch alt - Zwölf Porträts von Menschen nach der Lebensmitte» kam.
«Weshalb also nicht ein Buch darüber schreiben, wie Freunde und Bekannte in meinem Alter mit ihrem Älterwerden umgehen, welche Sinnfragen sich ihnen in dieser Lebensperiode stellen. Ich konnte so meine eigene Sinnfrage, die im Vorfeld meiner Pensionierung gebieterisch anklopfte, auf kreative Weise lösen - wenigstens für die nächsten zwei Jahre», so der Journalist, der 2007 bis 2009 als Wirtschaftsredaktor für «20 Minuten» (Swisscontent) tätig war, als Redaktor bei Pressetext Schweiz, News-Verantwortlicher beim Schweizerischen Verein für Mediation SVM oder als Chef vom Dienst bei Swisscontent, um nur die letzten journalistischen Stationen zu nennen.
«Ein toller Job» sei die Arbeit für die Wirtschaftsredakion von «20 Minuten» gewesen, den er sehr gerne gemacht habe. «Aber der Zeitdruck im Tagesjournalismus hat mir immer mehr zu schaffen gemacht. Ich merkte, dass ich mich nicht mehr zu einem Tempo zwingen lassen mochte, das nicht das meine war. So quittierte ich den Job und wurde für die nächsten sechs Jahre Stressbewältigungstrainer für Unternehmen, Organisationen und Schulen.
In dem Mitte März in der Edition 8 erschienen Buch hat Claude Weill Freunde und Bekannte im Alter zwischen 55 und 73 befragt. Einer davon, ist der im November 2016 verstorbene Journalist Mathias Klemm. «Mathias war in den 1970er Jahren Redaktor bei der `Leserzeitung` und arbeitete später von Frankreich aus als freier Journalist und Buchautor», sagt Weill, der an der Uni Zürich ein Studium der Geschichte und Publizistik abgeschlossen hat, über den Freund.
Auf die Frage des Klein Reports, weshalb er ausschliesslich Freunde und Bekannte interviewt hat, meinte er: «Bei der Auswahl der zwölf Porträts habe ich Menschen berücksichtigt, die mich über die Jahre als Freunde und Freundinnen begleitet haben - aber auch Bekannte aus Kinder- und Jugendtagen, die ich aus den Augen verloren hatte. Anfangs hatte ich mir überlegt, den Befragtenkreis auszudehnen auf Menschen, mit denen ich im Alltag immer wieder zu tun habe, sei es die Serviererin in der Quartierbeiz, meinen langjähriger Optiker etc.», resümiert Weill.
So spannend deren Antworten auch gewesen wären, er habe sich dagegen entschieden. Denn ihn interessierte vor allem, wie Menschen, die ihm nahestehen, mit dem Älterwerden umgehen.
Der Fragenkatalog an die Porträtierten spiegelt Weills Weiterbildung zum Erwachsenenbildner 1999, aber auch seine Tätigkeit als Stressbewältigungscoach. «Bin ich zufrieden, mit dem, was ich im Leben erreicht habe? Was ist aus meinen Träumen und Visionen geworden? Wie bin ich mit Krisen im Leben umgegangen? Bin ich mir und meinen Werten treu geblieben oder habe ich mich zu fest angepasst? Was möchte ich noch und habe ich die Ressourcen dazu? Woran merke ich, dass ich älter werde? Wie gehe ich mit dem Älterwerden um?»
Die sehr ehrlichen und differenzierten Antworten hätten ihm gezeigt, wie höchst unterschiedlich Menschen ihr Älterwerden erleben und reflektieren. «Für mich waren die Antworten ein Spiegel, der mir mein eigenes Älterwerden reflektiert», erklärte er gegenüber dem Klein Report abschliessend.
«In Glücksmomenten bin ich weder jung noch alt», Edition 8, 152 Seiten mit Fotos, 23 Franken, ISBN 978-3-85990-308-1, auch als e-Book erhältlich.