Das Überspulen von Werbe-Spots im zeitversetzten TV soll erlaubt bleiben. Fast einstimmig hat sich der Nationalrat gegen das umstrittene Spul-Verbot entschieden. Die Werbeeinnahmen der TV-Sender seien stabil, sagte die designierte Medienministerin Simonetta Sommaruga in der Ratsdebatte.
Nach dem Hickhack in den letzten Monaten verblüffte die Eintracht im Nationalratssaal am Freitagvormittag: Mit 182 zu 6 Stimmen bei 9 Enthaltungen hat die Grosse Kammer den umstrittenen Artikel 37a wieder aus dem neuen Urheberrechtsgesetz gekippt.
«Werden Fernsehprogramme von Dritten zeitversetzt angeboten, bedarf die Möglichkeit, Werbung zu überspringen, der Zustimmung des Sendeunternehmens», lautete der Paragraph, den die nationalrätliche Rechtskommission in den Gesetzesentwurf einbauen wollte.
Die TV-Sender hatten im Frühjahr Alarm geschlagen: Durchs zeitversetzte Fernsehen verlören sie über 100 Millionen Franken Werbeeinnahmen pro Jahr - eine Summe, welche die Telekom-Anbieter wiederum bestritten.
An dieser Stelle hakte sich die Medienministerin in spe, Simonetta Sommaruga, in die Ratsdebatte ein. Das Bundesamt für Kommunikation (Bakom) habe die Werbeeinnahmen im Fernsehen untersucht. Ergebnis: Sie seien «stabil», sagte Sommaruga vor den Nationalräten.
«Würden den Sendeunternehmen tatsächlich 100 Millionen Franken entgehen, dann müsste ja der Gesamtwerbemarkt angestiegen sein.» Niemand wisse zurzeit wirklich, wie viel Werbegelder den Sendern beim zeitversetzten TV entgingen. Das müsse man «zusammen anschauen».
Nur eine Zahl ist laut Simonetta Sommaruga sicher: 35 Millionen Franken. Das ist jene Summe, die die Telekom-Anbieter den Inhabern der TV-Rechte zurzeit pro Jahr bezahlen. Darin enthalten ist auch ein Zuschlag für das Überspringen von Werbespots, den die TV-Sender als zu gering kritisieren.
Würde der umstrittene Paragraph angenommen, könnte das das Ende des zeitversetzten Fernsehens bedeuten, «wie wir es heute kennen», machte die Noch-Justizministerin Sommaruga ihre medienpolitische Position deutlich. «Stattdessen hat dann vielleicht jede grosse Fernsehstation ihre eigene Mediathek, auf der sie ihre Inhalte kostenpflichtig anbietet.»
Mit dem nun versenkten Paragraphen hätte zum Beispiel das Schweizer Radio und Fernsehen (SRF) von UPC, Sunrise oder Swisscom eine Entschädigung verlangen können für die entfallenen Werbeeinnahmen. Telekom-Anbieter und Konsumentenschützer waren Sturm gelaufen gegen das drohende Spul-Verbot und den «Zwang zum Werbekonsum». Sie befürchteten, dass das zeitversetzte Fernsehen teurer oder sogar unmöglich würde. Da der strittige Paragraph die Zustimmung der TV-Sender verlangte, sässen diese gegenüber den Telekom-Anbietern am längeren Hebel.
Parallel zur Rechtskommission hatte auch die Fernmeldekommission über eine Überspul-Regelung nachgedacht, diese dann aber im August überraschend verworfen, wie der Klein Report ausführlich berichtete.