Den Zeitungen brechen die Inserate weg, Aufträge bei Werbeagenturen werden verschoben oder storniert.
Der Flurschaden der Coronakrise für die Branche sei noch kaum abzuschätzen, sagt Roland Ehrler, Direktor des Schweizer Werbe-Auftraggeberverbands (SWA), im Gespräch mit dem Klein Report. Der Verband verlangt Steuererleichterungen für die Werbeauftraggeber.
Fahren die Werbeauftraggeber in diesen unsicheren Zeiten generell auf Sicht und reduzieren die Werbe-Etats?
Roland Ehrler: «Sie können sich ja vorstellen, dass es in einer solchen Krise für einzelne Unternehmen wenig Sinn macht, jetzt Werbung zu schalten. Vielen Unternehmen bleibt im Moment nur der E-Shop als Absatzkanal. Mit dem Lockdown müssen viele Branchen ganz schwierige Zeiten durchmachen. Davon sind automatisch auch alle Marketing- und Werbemassnahmen betroffen. Das wird sich erst ändern, wenn die Virusansteckungen zurückgehen und die Ausnahmesituation aufgehoben wird.»
Werden jetzt im Notstand auch Kampagnen forciert? Was beobachten Sie in der Branche?
Ehrler: «In der Schweiz gab es bisher wenig Kampagnen mit Bezug zu Corona - ausser natürlich der Informationskampagne des BAG. Aufgefallen sind mir die gemeinsamen Inserate der Retailer (Migros, Denner, Coop, Aldi, Lidl, Spar, Manor, Volg und Valora) mit dem klaren Statement, dass Lebensmittel-Hamsterkäufe unnötig sind. Ebenfalls dankt zum Beispiel Denner seinen 5'000 Mitarbeitenden in einer Onlinekampagne per Laufband mit allen deren Vornamen. Im Ausland versuchen einige Unternehmen, sich dieser grossen Herausforderung zu stellen. Ein Beispiel dafür ist Nike in den USA, mit der Initiative ,Play inside, play for the world’. Oder Mercedes in Deutschland mit dem Spot #stayathome. Für einmal steht dort der Mercedes parkiert vor dem Haus.»
Um wie viel werden die Werbe-Etats infolge Corona schätzungsweise reduziert?
Ehrler: «Das ist heute schwer zu sagen und hängt davon ab, wie lange die Krise uns noch in Schach hält. Je nach Branche laufen die Werbekampagnen unverändert weiter, werden verschoben oder fallen leider ganz weg.»
Gibt es dazu bereits Zahlen?
Ehrler: «Nicht, dass ich wüsste. Jetzt geht es aber zuerst um die Gesundheit aller, insbesondere der Risikogruppen und dann um die Wirtschaft. Dazu hat der Bundesrat ja ein historisches und umfassendes Hilfspaket lanciert. Wir hoffen, dass damit auch die Werbewirtschaft rasch wieder in die Gänge kommt!»
Wie verändert sich der Media-Mix unter dem Vorzeichen des Corona-Lockdowns?
Roland Ehrler: «Die Mediennutzung hat sich in den letzten Jahren immer stärker in Richtung Digital verschoben. Daran ändert jetzt auch Corona nichts. Kurzfristig nimmt aber in dieser Krise das Bedürfnis nach Informationen stark zu. Davon profitieren derzeit alle Newsangebote auf Print, im Radio und Fernsehen sowie auch Digital. Vom derzeitigen Rückgang in der Mobilität sind die Out of Home-Angebote stark betroffen. Dies dürfte sich aber rasch ändern, wenn die Normalität zurückkehrt. Zudem sind jetzt bis mindestens am 19. April alle Kinos geschlossen, somit fällt dieses Medium vollständig aus.»
Sehen Sie für Werbeauftraggeber auch Chancen in der gegenwärtigen Ausnahmesituation?
Ehrler: «Diese schwierigen Zeiten bieten leider wenig Chancen für werbetreibende Unternehmen. Die grösste Chance sehen ich darin, dass wir die Krise gemeinsam rasch überwinden und zur Normalität zurückkehren können. Dann wird sich auch die Nachfrage nach Konsumgütern, Reisen, Autos, Unterhaltung und vielem mehr rasch erholen. Eine solche Ausnahmesituation möchte ich persönlich kein zweites Mal erleben!»
Genügen die wirtschaftlichen Hilfsmassnahmen des Bundes aus Ihrer Sicht? Wo sollte der Bund noch nachbessern, besonders im Bezug auf die Werbewirtschaft?
Ehrler: «Der Bund hat in der Tat rasch ein gewaltiges Hilfspaket geschnürt! Das ist eine grossartige Leistung für unser Land und verdient Anerkennung. Ob dies genügt, lässt sich heute noch nicht sagen. Um den Schweizer Werbemarkt rasch wieder zum Laufen zu bringen, wünscht sich der SWA noch zusätzliche Massnahmen. Dazu haben wir letzte Woche beim Bakom einen konkreten Vorschlag eingereicht ...»
... und was verlangen Sie konkret?
Roland Ehrler: «Die Idee sieht vor, dass Werbeinvestitionen von Werbeauftraggebern in diesem schwierigen Jahr während mehreren Monaten, ganz oder teilweise von den Steuern abgezogen werden könnten. Ein ähnlicher Vorschlag wird zurzeit ebenfalls in Frankreich von unserem Nachbarverband Union des Marques mit der Regierung diskutiert.»