Am Dienstagabend, dem 1. April 2014, ist das Ende der Publicitas besiegelt worden - eine 124-jährige Schweizer Firmengeschichte geht damit jäh zu Ende: 860 Angestellte bekommen vorderhand einen neuen Arbeitgeber, die deutsche Aurelius, eine Beteiligungsgesellschaft, die vor zehn Jahren gegründet worden ist.
Hans-Peter Rohner, der Mann, der den mehrjährigen dramatischen Niedergang der Inseratevermarkterin als CEO und heute als Verwaltungsratspräsident zu verantworten hat, stockte zwar in seiner kurzen Rede mehrmals an der Pressekonferenz, aber auch er, wie alle anderen Redner nach ihm, sprach ständig von einem «historischen Ereignis».
«Wir haben im vierten Quartal mit dem strukturierten Verkaufsprozess in Zusammenarbeit mit der Swiss Capital Group begonnen», so Rohner. Auf der beratenden juristischen Seite verdiente die Zürcher Kanzlei Kellerhals Anwälte mit, bei den PR-Massnahmen Aloys Hirzel von Hirzel.Neef.Schmid.
Es habe Angebote aus dem In- und Ausland gegeben, «wir mussten uns zwischen zwei verbindlichen Offerten entscheiden», sagte Rohner, der in den Medien schon mehrfach als Totengräber der Publicitas bezeichnet worden ist.
Munter wie immer, sinnierte er: «Wir hatten in der Vergangenheit vielleicht zu Enge Bindungen mit den Verlegern gehabt», womit er das jahrelange Missmanagement schönzureden versuchte. Dem Sinn nach waren der Publicitas dadurch die Hände gebunden, die Schuld liegt demnach aus seiner Sicht logischerweise woanders. Wie üblich verwies Hans-Peter Rohner auf andere Protagonisten. «Soweit wir von den neuen Besitzern gehört haben, übernimmt Aurelius die Strategie von CEO Alain D. Bandle.»
Etwas dürftig für 860 Angestellte, die über Nacht an die in München kotierte Beteiligungsgesellschaft übergegangen sind. Deren Mitbesitzer Donatus Albrecht «freute sich sehr, wirklich sehr über diesen grossen Schritt». «Wer ist Aurelius, werden Sie sich fragen», meldete sich der Vorstand M&A der Beteiligungsgesellschaft an der Medienkonferenz zu Wort, die in grossen Teilen aus Finanzanalysten, Beratern und Publigroupe-Personal bestand. Die hatten denn auch mehrheitlich Freude, da so eine Transaktion vor allem dem Aktienkurs gut tut.
«Wir sind eine Industrie-Holding und machen 1,5 Milliarden Euro Umsatz», erklärte Donatus Albrecht das Konstrukt, das auf Holding-Ebene gemäss seinen Angaben von 75 Personen gemanagt wird, die 18 Portfoliogesellschaften betreuen. Albrecht sprach wenig über den neuen Zukauf Publicitas, sondern mehr über die vielen «namhaften Beteiligungen», die er und seine zwei Partner in den letzten zehn Jahren erworben haben. «Aurelius ist schuldenfrei», erklärte Albrecht stolz und fügte dann an: «Das Personal wird interessieren, dass wir eine Cash-Position von 223 Millionen Euro haben.»
Interessiert sowas das Personal wirklich, darf der Klein Report da kritisch nachfragen. Millionen haben bisher Hans-Peter Rohner und das jeweilige Top-Management über die Jahre abkassiert. Auch Arndt C. Groth, der seit ein paar Monaten CEO der Publigroupe ist, sowie Alain D. Bandle gehören in der Schweizer Medienlandschaft zu den absoluten Top-Verdienern, die erst gar nicht ohne einen goldenen Fallschirm zur schlingernden Publigroupe gekommen wären. Dutzende fähige Manager haben die Jobofferten trotz des vielen Geldes abgelehnt.
Donatus Albrecht machte nicht den Anschein, dass er wahnsinnig viel von Medien versteht, obwohl Aurelius auch von Bertelsmann und von Axel Springer Objekte übernommen hat. Er selber sieht im Wechsel «zum Neuen» das Gute: «Der alten Garde ist es wahrscheinlich schwergefallen, zu reagieren», sagte er.
«Wir sind ohne emotionale Bindungen, wir können schnell reagieren und härtere Entscheidungen durchsetzen, dynamisch reagieren», sagte Albrecht, «auch wenn es zu einem Mehrfrontenkrieg kommt». Krieg? Was ist denn das für eine Rhetorik, fragt sich der Klein Report. Hans-Peter Rohner verstieg sich dann wiederum in seinen Aussagen beim Fazit des Verkaufes zur Aussage: «Kein einziger Mitarbeiter verliert seine Stelle.»
Wie auch immer: Das übrig gebliebene Publigroupe-Konstrukt, welches Arndt C. Groth leitet, schrumpft 2014 ohne die Publicitas/Media Sales auf 150 Millionen Franken Umsatz. «Publigroupe plant bei einem konsolidierten Nettoumsatz ein operatives Ergebnis von 20 Millionen Franken», prognostizierte der deutsche Internetmanager.
Über die Hauptbeteiligungen der Publigroupe sprach Groth so, als wenn der Umsatz von 800 Millionen Franken, den local.ch, das zu 50 Prozent der Swisscom gehört und von ihr gemanagt wird, sowie von Zanox (47,5 Prozent Publigroupe), das mehrheitlich Axel Springer gehört, eine massgebliche Eigenleistung wäre. Arndt C. Groth sieht hier «viel, viel Potenzial» und man werde eine führende Rolle auf diesem Gebiet spielen.
Die Publigroupe werde aber keine Multi-Channel-Marktplätze mehr anbieten. «Wir bieten Tools und digitale Produkte und Dienstleistungen fürs digitale Marketing», so Groth: «Wir machen eine klare Abgrenzung zum Themfeld Publicitas.»
Hans-Peter Rohner, der eigentlich gerne SRG-Generaldirektor geworden wäre, sieht sein eigenes Potenzial weiter bei der Publigroupe, wie er auf eine Frage von Hanspeter Bürgin, der ihn über einen möglichen Rücktritt befragte, salopp meinte: «Ich stehe zur Wiederwahl an der kommenden Generalversammlung. Durch die Minder-Initiative geht es ja nun um eine Amtszeit von einem Jahr. Wenn es den Aktionären gefällt, werde ich bleiben.»