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Sonntag
12.09.2021

Medien / Publizistik

«Ich denke, dass das Volk das Medienförderungsgesetz stark ablehnen wird», sagt Online-Verleger Bruno Hug, der das Referendum mitinitiiert hat. (Bild zVg)

«Ich denke, dass das Volk das Medienförderungsgesetz stark ablehnen wird», sagt Online-Verleger Bruno Hug, der das Referendum mitinitiiert hat. (Bild zVg)

Das Referendum «Staatsmedien Nein», das am 7. September zustande gekommen ist, wirft auch unter Medienschaffenden Fragen auf: Werden mit dem Ausbau der Medienförderung die bereits begüterten Erb- und Subventionsverleger fälschlicherweise weiter mit Geld geflutet? Oder ist es der grosse Segen für die Demokratie?

Chefredaktorin Ursula Klein und Redaktor Kai Vogt haben sich mit Bruno Hug am 9. September in Rapperswil zum Interview getroffen. Hug ist Verleger des St. Galler Online-Portals linth.ch und Mitinitiant des Referendums gegen das neue Medienförderungsgesetz.

Weshalb engagieren Sie sich so stark gegen das neue Medienförderungspaket?
Bruno Hug: «Diese Medienförderung ist ungerecht und unnötig. Unnötig ist sie deshalb, weil der grösste Teil der Medien, die diese Subventionen bekommen sollen, diese Gelder gar nicht nötig haben. Weder eine TX Group noch Ringier, die NZZ, CH Media und viele weitere, die den Grossteil der Subventionen bekämen, brauchen diese Unterstützung.»


Sehen Sie noch andere Probleme?
Hug: «Ein anderes Problem ist, dass die Subventionen die Verlage staatsabhängig und regierungstreu macht. Sie können ja nicht vom Staat Geld beziehen und gleichzeitig den Staat angreifen.»


Sie sprechen die sogenannte «innere Pressefreiheit» an. Wie wird diese in den Verlagshäusern im Hinblick auf das mögliche neue Gesetz gehandhabt?
Bruno Hug: Die sogenannte innere Pressefreiheit ist eine hohle Bezeichnung. Entweder die Verlage sind frei und unabhängig vom Staat oder sie sind es nicht. Die Gier, vor allem die der Grossverleger, ist grundfalsch. Ich bin seit 45 Jahren im Verlagswesen tätig und war auf meine Unabhängigkeit immer erpicht. Ein echter Verleger muss frei sein. Medien zu produzieren bedeutet Verantwortung der Gesellschaft gegenüber. Wenn Verleger aber nur dem Geld nachrennen, sollten sie gescheiter Büchsen produzieren oder sonst irgend ein Geschäft betreiben.»

Ist dann jemand wie Pietro Supino in Ihren Augen kein guter, kein richtiger Verleger?
Hug
: «Die Frage ist, was ist ein ‚guter Verleger‘. Ist das jemand, der viel Geld verdient, oder jemand, der politische und gesellschaftliche Verantwortung übernimmt? Wenn man Pietro Supino an seinem wirtschaftlichen Erfolg misst, ist er ein guter Verleger. Wenn man ihn daran misst, wie er für Geld die Medienfreiheit verkauf, ist er ein schlechter Verleger.»

Das neue Medienförderungsgesetz sieht unter anderem eine starke Aufstockung der indirekten Medienförderung vor. Inwiefern gefährdet dies auch die Demokratie in der Schweiz?
Bruno Hug
: «Von den rund 170 Millionen jährlich gehen 60 Millionen direkt an die Verleger und ihre Organisationen. Rund 120 Millionen gehen an die Post, zum Beispiel zur Verbilligung der Verteilung der Sonntags-Zeitungen von Tamedia, NZZ und Ringier, alles steinreiche Verlage. Andere Verlage haben gar keine Sontagszeitungen. Es fliessen auch Gelder an journalistische Aus- und Weiterbildungsinstitutionen oder Verbände. Damit wird die Medienbranche von A bis Z vom Staat abhängig. Ausser die Gratismedien! Diese sind die einzigen, die den bestehenden Grossverlagen wie CH Media, Ringier, NZZ oder TX Group Konkurrenz machen könnten. Sie werden gezielt vom Geldsegen ausgeschlossen. Mit dem Zweck, die heutigen Medienmonopole zu betonieren.»

Welche Gefahren erkennen Sie konkret für die Redaktionen und ihr Schaffen?
Hug: «Ich erkläre es gerne an einem Beispiel: Der Verlegerverband hat inzwischen alle Schweizer Medien angeschrieben und sie dazu aufgefordert, Kontakt mit lokalen Politikern aufzunehmen. Diese sollten sich für das Mediensubventionsgesetz engagieren und der Bevölkerung aufzeigen, wie die Verlage das Bundesgeld zum Wohl der Bevölkerung einsetzen. Wie soll aber nun ein Verleger noch einen kritischen Bericht über den lokalen Politiker schreiben, der ihm Staatsgeld zuschaufelt? Genau dies spielt sich zurzeit ab. Freie Medien dürfen mit dem Staat, über den sie kritisch berichten sollten, nicht über Geschäfte verhandeln….»

…führen die Mediensubventionen zu einer Entfremdung der Bevölkerung gegenüber den Medien?

Bruno Hug: «Ich gehe sogar noch einen Schritt weiter: Letztlich ist die Staatsabhängigkeit der Medien deren Untergang, denn sie verlieren ihre Glaubwürdigkeit. Die Menschen spüren, dass Medien gekauft und gesteuert sind. Wer soll dann noch ein Abonnement einer Zeitung kaufen, wenn er ihr – ob zu Recht oder zu Unrecht – nicht mehr über den Weg traut?»

Braucht es den Staat in Zukunft überhaupt, um eine unabhängige und kritische Berichterstattung in einer Zeit der Umbrüche zu sichern?
Hug: «Meiner Meinung nach hat der Staat bei den Medien nichts zu suchen. Alle staatlichen Gewalten haben unabhängig voneinander zu funktionieren, und die Medien sind die vierte Gewalt im Staat.»

Wie finanziert sich die Kampagne «Staatsmedien Nein»?
Bruno Hug
: «Philipp Gut, Präsident Peter Weigelt und Christian Keller von Prime News Basel sind viele bedeutende Personen in diesem Land angegangen und haben mit ihnen über diese Thematik gesprochen. So konnten wir namhafte Beträge sammeln…»

…können Sie dem Klein Report eine Zahl nennen?
Hug: «Wir nennen keine Zahlen, aber ein solches Referendum, das ist bekannt, kostet schnell einmal 300'000 Franken. Für uns war es doppelt schwierig, denn wir haben keinen Verband wie die vom Subventionsgeld profitierenden Verleger, keine politische Partei und sonst keine Interessenvereinigung im Rücken. Zudem ist das Medienthema für viele komplex. Themen wie Versicherungen oder Wohnen betreffen viele Menschen mehr als das Thema Medien. So sind wir erfreut, dass es uns dennoch gelungen ist, die Thematik an die Leute heranzutragen und alle Unterschriften rasch einzuholen. Heute ist der 10. September und wir sind bereits bei 56'000 Unterschriften.»

Wenn die Abstimmung vom Februar 2022 schon heute stattfinden würde, wie würden Sie Ihre Chancen einschätzen?
Bruno Hug: «Ich denke, dass das Volk das Medienförderungsgesetz stark ablehnen wird. Ich beschäftige mich seit Monaten mit diesem Thema und ich habe mit vielen Leuten gesprochen. Nie habe ich von jemandem gehört, dass die Medien vom Staat unterstützt werden sollten – nie!»

Wo würden Sie sich selbst politisch einstufen?
Hug: «Ich bin liberal eingestellt, manchmal grün, manchmal setze ich mich für soziale Themen ein, bin aber auch ein echter Schweizer und stolz auf unsere Demokratie, die es zu bewahren gilt. Und ich unterstütze aus Prinzip wo immer möglich die Selbstverantwortung jedes Menschen. Denn wenn man den Menschen Selbstverantwortung zuspricht, schätzt man sie und macht sie zu Partnern. Wenn man die Menschen mag, dann sollte man schauen, dass sie sich selbst entwickeln können.»