Dass Konkurrenten sich lieben, findet meistens nur in Hollywood-Filmen oder in TV-Soaps statt. In Zürich gibt es dieses Märchen im wahren Leben. «Hanna ist die grosse Liebe meines Lebens», schwärmt Daniel Rohr sogar in der Öffentlichkeit in ihrem Beisein. Ihr Blick spricht Bände, als sie das hört.
Sie, das ist Hanna Scheuring (53), die Chefin des legendären Zürcher Bernhard Theaters. Daniel Rohr (58) führt das Zürcher Theater Rigiblick. Beide können auch auf eine beeindruckende Laufbahn als Schauspieler zurückblicken.
Hanna Scheuring wurde 1994 schweizweit bekannt als Vreni in der Sitcom «Fascht e Familie». Dazu trat sie in Theater-Hauptrollen auf wie etwa im selbst geschriebenen «Love, Marilyn» über eine Frau, die glaubt, sie sei Marilyn Monroe.
Daniel Rohr spielte rund 20 Jahre auf grossen Theaterbühnen im deutschsprachigen Raum und war auch in Spielfilmen wie «Ernstfall in Havanna» von Viktor Giacobbo, in «Vitus» von Fredi M. Murer, in «Sternenberg» mit Mathias Gnädinger (†2015) oder in «Achtung, fertig Charlie!» zu sehen. Das Theater Rigiblick leitet er seit 2005 und ist der kreative Motor vieler neuer Stücke über die Musikgeschichte der letzten Jahrzehnte.
Scheuring leitet seit Oktober 2014 das Bernhard Theater, das sie mit Volkstheater-Klassikern wie «Die kleine Niederdorfoper» (Premiere mit Hauptdarsteller Erich Vock als Bäuerlein Heiri ist am 5. November) und der Wiederaufnahme des früheren Bernhard-Apéro von Hans Gmür als Bernhard-Matinée jeweils am Sonntagmorgen um 11.30 Uhr wieder zum Blühen brachte. Dass Hanna Scheuring mit der Verpflichtung von alt Bundesrat Moritz Leuenberger als Gastgeber ein Coup gelang, machte grosse Schlagzeilen.
Die Medien-Branche ist weiterhin im unaufhaltsamen Abwärtstrend. Personalabbau, Fusionen, Einstellung von Zeitungs- und Zeitschriften-Titeln sind das eine, Einbruch von Werbeeinnahmen und Abo-Abbestellungen das andere. Die Digitalisierung hingegen schreitet weiter voran, die Folgen für den Printbereich sind deshalb absehbar.
Ein anderer Wind weht im Theatergeschäft. Ob Volkstheater, Musicals, Comedy oder Akrobatik-Duos wie etwa Lapsus und auch das Phänomen «Das Zelt»: Für viele Vorstellungen findet man kaum mehr Tickets.
Mit seiner Inszenierung des Stücks «Tribute To Woodstock» zum 50-Jahr-Jubiläum des legendärsten Rock-Festivals aller Zeiten muss Daniel Rohr wegen der grossen Nachfrage sogar ins viel grössere Theater 11 in Oerlikon «ausweichen», um der Nachfrage Herr zu werden.
Der Kreativitäts-Output von Daniel Rohr ist gewaltig. An seiner Seite ist seine Partnerin Hanna Scheuring mit von der Partie. Bei «Tribute To Woodstock» führt sie Regie. Diese Woche Donnerstag feiert das Paar zudem Premiere mit dem Beatles-Abend «Tribute To Abbey Road». Rohr steht als Beatles-Pressesprecher Derek Taylor auf der Bühne, seine Herzdame Hanna zeichnet auch hier für die Regie verantwortlich.
Das Ganze startete Rohr bereits vor 20 Jahren, damals noch im Zürcher Theater am Neumarkt. Daniel Rohr: «Die Idee von temporärer Musik in Theaterform begann mit einem legendären Abend über Frank Zappa. Das schlug wie eine Bombe ein. Wir haben das 12 Jahre lang gespielt, und zwar auch in ganz Deutschland.» Später produzierte Rohr noch einen Zappa-Tribut, dieses Mal in «seinem» Theater Rigiblick. Rohr: «Es war eine grosse Produktion mit 50 Leuten auf der Bühne.»
Die Musik sei in seinem Chromosom, sagt Rohr. «Als Junge hiess meine erste Passion nach Beatles und Rolling Stones 'Very Eavy, Very Umble', das erste Album der Hardrockband Uriah Heep. Ich fand beides geil, die Fab Four und die Stones, dazu Genesis und Crosby, Stills, Nash & Young, deren Musik sehr komplex ist. Aber ich kenne jeden Ton.»
Mit Bands wie den Beatles merke man erst, was das für Inhalte sind. Das sei eine eigene Art Wissenschaft. «Leute wie Zappa - er ist der Beethoven der Rockmusik. Die Beatles sind Mozart. Es ist kein Zufall, dass diese Karrieren funktionierten. Je mehr man sich mit denen beschäftigt, desto grösser ist der Respekt vor deren Oeuvre. John Lennon zum Beispiel war trotz seiner Heroinsucht sehr kreativ und politisch, vor Paul McCartneys Genie als Songschreiber kann ich mich nur in aller Demut verneigen.»
Die Geschichte in «Tribute To Woodstock» (im Theater 11 co-produziert mit der Konzertagentur Good News, Tickets bei Ticketcorner) handelt von zwei Protagonisten, die dort waren. «Weil das legendäre Festival recht unorganisiert war - die Veranstalter waren totale Amateure - mussten Chefbeleuchter Chip Monk und Stage Manager John Morris die Moderation übernehmen. Ich spiele Chip. Wir erzählen alles über Jimi Hendrix, CCR, Janis Joplin, The Who, Carlos Santana, Joe Cocker und Neil Young.»
Es sei eine grosse Herausforderung, im Theater 11 plötzlich vor 1600 Leuten zu spielen, sagt Rohr. Das sei wie Cinemascope und auch für die Technik eine ganz neue Aufgabe.