Die vielen Sparmassnahmen des letzten Jahres werfen kein gutes Licht auf die Medienbranche: Dem strukturellen Wandel wird bislang weniger mit Innovation, dafür mehr mit ökonomischem Kostenmanagement begegnet.
Am Schweizerischen Medienforschungstag wurde deshalb die Frage gestellt, ob Verlagshäuser, Mediaplaner und Medienforscher zum nutzlosen Relikt verkommen, das vom Aussterben bedroht ist, weil sie mit dem digitalen Wandel nicht mithalten können.
«Was ist nur los mit dieser Branche», fragte Jürg Weber, Verwaltungsratspräsident der Wemf, am Mittwochnachmittag in Bern und beantwortete die Frage teilweise selber: «Geld geht in den Online-Bereich, das ist nicht neu. Nun werden die Auswirkungen sichtbar. Im Moment schlägt es hart durch mit Schliessungen, Machtkonzentrationen, Konsolidierungen.»
Ranga Yogeshwar, Wissenschaftsjournalist, Physiker und Moderator, zeigte zu Beginn seiner Keynote dazu passend das Bild eines ausgegrabenen Dinosaurier-Fossils. «Der Dinosaurier war mal zeitgemäss, jetzt ist er `out of date`» - droht dasselbe Schicksal den Medien, ist auch die Medienbranche dem Tode geweiht, weil sie sich den aktuellen Umständen nicht mehr anpassen kann?
Diese Frage richtete Markus Spillmann, der durch den Nachmittag moderierte, an Cornelia Harder, CEO und Inhaberin von FCB Zürich, Michael Wanner, CEO von Watson, und Roger Harlacher, Präsident Schweizer Werbe-Auftraggeberverbend (SWA). Cornelia Harder widersprach: «Ich bin überzeugt, dass wir uns anpassen können, auch wenn die klassische Werbeagentur in Zukunft keinen Wert mehr hat.» Harlacher ergänzte: «Grenzen werden aufgelöst, Medienunternehmen werden auch Vermarkter, aber wo geht es hin mit den Agenturen?» Eine Zusammenarbeit von Werbeagenturen mit Medien sei «nicht ganz absurd», beantwortete Michael Wanner eine dahingehende Frage.
Die Überzeugung, dass Mediaagenturen, Medienhäuser und die Medienforschung kein nutzloses Relikt sind, ist bei den Beteiligten durchaus vorhanden. Sätze wie «wir richten uns nach den Bedürfnissen unserer Kunden» hinterlassen aber eher den Eindruck, dass man sich durch den Wandel hindurchschlängeln wird, als dass man diesen selber aktiv und innovativ mitgestalten kann.
So blieb der Swiss Media Data Hub (SMDH) auch das einzige konkrete, in die Zukunft gerichtete Projekt, das am Medienforschungstag dem Publikum im gefüllten Kursaal präsentiert werden konnte. Harald Amschler, Executive Director of Research and Development Wemf, und SMDH-Projektleiter Marcus Föbus erklärten ihre Vision einer integralen, konvergenten Reichweitenwährung.
Doch der SMDH stösst bei den Mediaagenturen auf Skepsis: Gemäss Beat Krebs, CEO Publicis Media Schweiz, ist das Fernziel einer einheitlichen Total Audience-Währung «nicht realistisch». Und Manfred Strobl, CEO Mediaschneider, stellte den Nutzen einer Reichweitenmessung zum Teil in Frage: «Am Ende des Tages interessiert die Werbewirkung.» Monica Jäggi, Mitinhaberin Konnex AG, verlieh schliesslich noch ihrem Ärger Ausdruck darüber, dass die Wemf auf eine zweijährige Print-Reichweitenerfassung umgestellt hat: «Es wird deshalb immer schwieriger, unseren Kunden Print zu empfehlen. Die Entscheidung der Wemf bestätigt den Ruf, veraltet zu sein, obwohl Print nach wie vor seine Stärken hat.»
Zum Schluss der Veranstaltung beschwichtigte Beat Lauber, Mitglied des Präsidiums Verband Schweizer Medien, im Podium mit Jella Hoffmann, Director of Product Management Wemf, und Myriam Siksou, Leiterin Marketing Konzern bei der SBB. Lauber befand: «Ich glaube, der SMDH geht in die richtige Richtung. Die Frage ist, ob das alles ist. Wir haben heute sehr wenig über Inhalte der Medien gesprochen, nur über Technologien, Daten etc. Es funktioniert, was nützt, und es nützt, was für den Kunden relevant ist. Das ist immer noch das Leitblatt.»
Die «Take-Aways» vom diesjährigen Medienforschungstag waren für einmal eher überschaubar, weil viele Gedanken den Weg von der Abstraktion zum konkreten Projekt nicht geschafft haben. Umso angeregter waren die Gespräche im anschliessenden Networking-Apéro.