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Samstag
15.08.2020

Medien / Publizistik

Ehemaliger «Folio»Chefredaktor und Pensionär Daniel Weber steigt bei der «Weltwoche» als Herausgeber ein - zwölf Seiten zu «Literatur und Kunst» gibts jede Woche...

Ehemaliger «Folio»Chefredaktor und Pensionär Daniel Weber steigt bei der «Weltwoche» als Herausgeber ein - zwölf Seiten zu «Literatur und Kunst» gibts jede Woche...

Die «Weltwoche» hat den Journalisten Daniel Weber neu an Bord geholt. «Massiv mehr Literatur und Kunst. Herausgegeben von Ex-‚NZZ Folio‘-Chefredaktor», kündet Verleger Roger Köppel in einem langen Werbemail über Neuerungen in seinem Blatt, das auf Kurzarbeit ist, am Donnerstag an.

Aber Köppel hat diese verkürzten Arbeitszeiten offensichtlich mehr als nur kreativ nutzen können, wie der Klein Report feststellen darf. Allerdings weniger mit Bewunderung, sondern schon eher mit ziemlich grosser Verwunderung über Köppels neue Ideen. Doch der Reihe nach.

Es gebe pro Woche mindestens zwölf Seiten zu «Literatur und Kunst», die Weber verantwortet, der explizit als Herausgeber tituliert wird.

Und im Köppel-Slang: «Zurück zu den Wurzeln. Kein Klatsch und Debattismus, sondern Fokus auf Künstler und Werk auf gehaltvollem Niveau. Die Faszinationskraft der Kultur soll ernst genommen und freigelegt werden.»

Journalist Köppel hatte also in den letzten Wochen Zeit und Geld, sich seinem Magazin zu widmen, «das am 13. August nach den Sommerferien mit ungebrochenem Schwung, neuer Aufmachung, zahlreichen konzeptionellen Änderungen und noch mehr Vielfalt und Humor startet».

Während die meisten Verlage ihre Angebote herunterfahren, wie Köppel behauptet, setze die «Weltwoche» auf den gezielten Ausbau ihrer Stärken, unabhängig, kritisch, gut gelaunt.

«Ein schönerer Auftritt auf edlem Schweizer Papier», schreibt Köppel über das neue Design, gestaltet von «Weltwoche»-Art-Director Daniel Eggspühler. Und wieder «mehr Humor und gute Laune durch Cartoons und Witzzeichnungen im ganzen Heft. Mit dabei: Kult-Wikinger ‚Hägar, der Schreckliche‘, ein Echo aus Zeiten, als die politische Korrektheit noch nicht einmal ein Gerücht war», so Köppel.

«Mehr Raum» für die Kolumnisten und neue Autoren wie PR-Mann David Schärer von der Werbeagentur Rod, die Anfang November letzten Jahres an Farner verkauft worden ist. Mit der Kampagne des Bundesamtes für Gesundheit (BAG) haben die Werber einen grossen hochlukrativen Staatsetat im Portefeuille, für den der Bundesrat am Mittwoch gerade nochmals einen Nachtragskredit von 28 Millionen Franken beantragt hat.

Für Köppel ist Rod «eines der interessantesten Kommunikationsunternehmen der Schweiz, unter anderem zuständig für die Operation Libero», wie er - wie so oft - locker daher redet.

Und einen Aufstieg erfährt die ehemalige NZZ-Journalistin Katharina Fontana, die seit März 2017 für die «Weltwoche» schreibt, sie «rückt zur neuen Kolumnistin auf».

Aus der Mottenkiste der ehemaligen und damals ziemlich anders positionierten «Weltwoche» wird im Wirtschaftsbereich «Weltwoche Leader» als regelmässiges Dossier angekündigt. Darin enthalten sind «Führungsfragen in allen Lebenslagen, von der Kinderkrippe bis zur Grenadierkompanie».

Hier wird mit einem klassischen Interview gestartet: Die Gedanken des US-Financiers Peter Andreas Thiel werden in zwei Teilen ausgebreitet. Der Investor ist unter anderem Partner des Risikokapital­unternehmens Founders Fund in San Francisco und Präsident des Hedgefonds Clarium Capital in New York.

Für «Leader» ist Beat Gygi, ehemaliger NZZ-Wirtschaftsredaktor und seit 2015 im Team Köppel, zuständig. Der Wirtschaftschef und Mitglied der Chefredaktion werde «seine unbestechlichen analytischen Fähigkeiten neu auch in einer wöchentlichen Kolumne zum Ausdruck bringen», erklärt Roger Köppel.

Auch die Verkommerzialisierung seines Blattes entwickelt der SVP-Politiker Köppel weiter: «Wirtschaftsredaktor Florian Schwab wird neben seiner journalistischen Tätigkeit den Bereich Corporate Publishing und Sponsoring für die ‚Weltwoche‘ weiter ausbauen.» Und Produktionschef Lukas Egli werde sich verstärkt um den Ausbau der Internet-Aktivitäten kümmern.

Irgendwo im Werbemail lässt Roger Köppel dann etwas Most runter: «Wir hatten den Eindruck, die ‚Weltwoche‘ sei in den letzten Jahren vielleicht etwas zu sehr eingeschliffen in den tagespolitischen Fronten», heisst es da.

Und Achtung, sagt der Klein Report, jetzt genau hinhören: «Mag sein, dass das politische Engagement des Verlegers diesen Eindruck noch verstärkt hat.» Ein Köppel-Sätzlein, das es in sich hat - eingebettet zwar in «wir» und «uns», aber der Beginn einer Umpositionierung. Denn wenn Familie Blocher - und vor allem die Töchter von Blocher - nicht wollen und den Geldhahn zudrehen, dann ist es bei der «Weltwoche» ratzfatz zappenduster.

Es schien nur ein kurzer Lichtblick in Köppels Kopf. Es war doch nicht sein politisches Engagement, nein, wie könnte es anders sein, es war die Pandemie, die alles anders macht.

Er schreibt: «Oder vielleicht öffnete uns Covid auch einfach nur die Augen für den enormen Reichtum, der in der Tradition dieser Zeitung drinsteckt. Wir gingen im Wortsinn über die Bücher, blätterten staunend durch die alten Jahrgangsbände und hoben, wie wir hoffen, ein paar Schätze der Vergangenheit, um sie zusammen mit neuen Ideen unter den Bedingungen der Gegenwart zum Funkeln zu bringen. Das Resultat dieser Bemühungen liegt jetzt vor»…und so weiter und so fort.

«Ausnahmezeiten sind kreative Zeiten», findet Köppel, der die Staatshilfe Kurzarbeit auch schon gerne mal als «Selbstverständlichkeit» in einem Editorial Ende April bezeichnete.

Da schrieb er: «Derweil versinkt der Staat im Chaos seiner Planwirtschaft. Ein Hauch von DDR durchweht das Land. Bürokraten regieren in Rätseln. Staatsmacht stumpft ab. Der Etatismus beginnt die Gedanken zu vernebeln. Fast auf den Knien dankten viele Bürgerliche zunächst dem Bundesrat für seine ach so grosszügigen ‚Hilfen‘ und ‚Rettungspakete‘. Müssen die Unternehmer dem Staat jetzt auch noch danke sagen, wenn sie Ersatz fordern für den Schaden, den ihnen die Regierung mit ihren Anordnungen einbrockt? Der Bund ‚rettet‘ gar nichts, er entschädigt nur für die Verwüstungen seiner Politik. Das ist kein Jubelgrund, das ist eine Selbstverständlichkeit.»

Ganz selbstverständlich nimmt ja auch die NZZ-Gruppe die Kurzarbeit grosszügig in Anspruch, ob es sich nun um «Seuchen-Sozialismus», wie ein NZZ-Journalist schrieb, handelt, oder nicht. Das sei eine Versicherung, in die man einbezahlt habe. Stimmt natürlich, meint der Klein Report. Nur wird die Versicherung massiv zweckentfremdet und légère ausgenutzt.

Köppels Mentor und Financier Christoph Blocher, der über das Kreuzworträtsel, gesponsert vom EMS-Konzern, in der «Weltwoche» (3. Umschlagseite) pro Jahr mindestens 900’000 Franken ins Köppel-System pumpt, wie der Klein Report schon vor Jahren publizierte, dieser Blocher sprach dem Sinn nach das Blochersche Bonmot gelassen aus: Wer nah am Honigtopf ist, greift auch rein!

Hat der Alte doch wieder mal recht gehabt und machts auch gleich selber vor.

Gier hat keinen politischen Standpunkt: weder rechts noch links.