Muss ich ein Buch, das ich gekauft habe, etwa auch anderen Personen zeigen, damit sie darin lesen können? Die naheliegende Antwort auf diese Frage lautet «nein». In ihrem Entscheid zu den Swisscom-Sportübertragungsrechten musste die Wettbewerbskommission (Weko) eigentlich die gleiche Frage beantworten, kam aber zu einem anderen Resultat. Caroline Söhner, Fürsprecherin und Vizedirektorin der Wettbewerbskommission, erklärte dem Klein Report, weshalb das so ist.
Obwohl die Swisscom die Sport-Live-Übertragungsrechte erworben hat, kann das Unternehmen gemäss Söhner damit nicht «tun und lassen, was es will»: «Exklusivrechte können je nach ihrer Bedeutung und Verwendung problematisch werden, wenn sie zu einer Behinderung anderer Wettbewerber oder einer Benachteiligung der Marktgegenseite führen», erklärt Söhner und schliesst den Kreis zum Anfangsbeispiel: «Mit anderen Worten, wenn Sie ein Buch kaufen und dadurch marktbeherrschend werden, sind Sie unter Umständen sehr wohl verpflichtet, das Buch weiteren Personen zugänglich zu machen.»
Denn das Kartellgesetz schränke die sonst geltende Vertragsfreiheit der Unternehmen im Falle der Marktbeherrschung ein. «Dies ist quasi der `Preis` für die marktbeherrschende Stellung», so Söhner. Die Marktbeherrschung an sich sei zwar nicht unzulässig. «Unzulässig ist jedoch der Missbrauch einer solchen Stellung», sagt die Weko-Fürsprecherin weiter.
Weil die Weko davon ausgeht, dass Pay-per-View- und Pay-per-Channel-Angebote (PPV und PPC) dem gleichen Markt zuzuordnen sind und somit «substituierbar» sind, könnte Swisscom ihren Kunden auch weiterhin über Swisscom TV einzelne Sport-Events (PPV) anbieten, während Kunden der Konkurrenz ein Teleclub-Abo (PPC) beziehen müssen. Dass die fraglichen Sportinhalte nur über die Swisscom-Tochter Teleclub bezogen werden können, stellt die Weko nicht infrage.
Problematisch sei allerdings, dass Konkurrenten der Swisscom Sportinhalte nur gekoppelt an aussersportliche Programme von Teleclub anbieten können. «Es würde für die Beseitigung der Diskriminierung genügen, wenn Swisscom den anderen TV-Plattformen entweder das vollständige Pay-per-View-Angebot oder das vollständige, entkoppelte Pay-per-Channel-Angebot bereitstellen würde», erklärt Söhner.
Mit 71,8 Millionen Franken fällt die verhängte Strafe zwar hoch aus, allerdings nur halb so hoch wie die ursprünglich vom Weko-Sekretariat geforderten 143 Millionen Franken. Dass das Sekretariat im Zweifel eine höhere Strafe beantragt, als die Weko schliesslich verfügt, ist gemäss Söhner «nichts Ungewöhnliches». Dem Antrag des Sekretariats seien die Wettbewerbshüter zwar in den wesentlichen Punkten gefolgt, jedoch gelte beim Sekretariat eher der Grundsatz «Im Zweifel für das Härtere», während die Weko «Im Zweifel für den Angeklagten», also in diesem Fall die Swisscom, zu urteilen habe.
Der Sanktionsbetrag kann, je nach Art und Schwere des Verstosses, bis zu 10 Prozent des Umsatzes betragen, den das Unternehmen in den letzten drei Geschäftsjahren «auf den relevanten Märkten» in der Schweiz erzielt hat. Zur konkreten Berechnung kann Caroline Söhner keine näheren Angaben machen, da diese Zahlen dem Amts- und Geschäftsgeheimnis unterliegen.
Hinsichtlich der Schwere des Vergehens habe die Weko das Verhalten der Swisscom insgesamt als «mittelschweren Verstoss» beurteilt. «Sanktionserhöhend kam die Dauer des Verhaltens von rund sieben Jahren hinzu sowie der Umstand, dass die Swisscom mehrfach gegen das Kartellgesetz verstossen hat», erklärt die Vizedirektorin weiter. Andererseits habe die Weko insbesondere dem Umstand Rechnung getragen, dass «die Swisscom den beeinträchtigten Wettbewerb ursprünglich überhaupt erst ermöglicht hat», so Söhner.
Da nach Ablauf der Saison 2016/2017 die Übertragungsrechte neu vergeben werden, erübrigen sich neben der Busse weitere Massnahmen gegenüber der Swisscom. «Die Wettbewerbsbehörden werden indes den Ausgang des aktuellen Ausschreibungsverfahrens genau beobachten. Sie behalten sich entsprechend weitere Schritte vor», erklärt Söhner abschliessend. Nach derzeitigem Kenntnisstand über die Vergabemodalitäten sei jedoch nicht davon auszugehen, «dass sich die Situation wieder ähnlich präsentieren wird, wie in den vergangenen Jahren».